„überraschend solide“

Henning Becker, Absolvent der NRWSchool of Governance, im Gespräch über seine berufliche Tätigkeit nach dem Studium und die Arbeit der Minderheitsregierung in NRW. die Fragen stellte Alexander von Freeden


Henning, nach deinem Master- Studium arbeitest du im nordrheinwestfälischen Landtag – wie bist du dazu gekommen und was sind deine Aufgaben?

Ich bin der Büroleiter des grünen Abgeordneten Mehrdad Mostofizadeh und ich halte sozusagen den Laden am laufen [grinst]. Terminkoordination und -vorbereitung machen einen zentralen Teil meiner Arbeit aus. Aber auch die Abstimmung mit den wissenschaftlichen Fraktionsmitarbeitern gehört dazu, ebenso wie viele andere Aufgaben, etwa die Pflege von Mehrdads Website. Es ist auf jeden Fall sehr abwechslungsreich. Dies hängt auch damit zusammen, dass Mehrdad nicht nur stellvertretender Fraktionsvorsitzender, sondern auch haushalts- und finanzpolitischer sowie kommunalpolitischer Sprecher ist und so zwangsläufig ein recht breites Themenspektrum abdecken muss. Schon während meines Studiums in Duisburg habe ich im Landtag für einen anderen Abgeordneten gearbeitet und konnte so erste Kontakte knüpfen. So habe ich dann auch Mehrdad kennengelernt, der damals noch wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Fraktion war. Nach der Landtagswahl 2010 eröffnete sich dann für mich die Möglichkeit, hier hauptberuflich zu arbeiten.

Was hat sich durch die Landtagswahl verändert?

Generell ist es natürlich ein großer Unterschied, in der Opposition oder in der Regierung zu sein. Im Alltag macht sich die neue Zusammensetzung der Grünen-Fraktion sehr starbemerkbar. Vor der Wahl war die Fraktion viel kleiner und die Arbeitsabläufe waren eingespielter. Jetzt sind viele neue Abgeordnete dazu gekommen, die Altersspanne ist größer geworden und die Vorerfahrungen vielfältiger. Zudem sind vier vorherige Mitglieder der Fraktion nun Regierungsmitglieder. Die Aufgaben in der Fraktion mussten somit neu und auf mehr Köpfe verteilt werden. Insgesamt hat dieser Wechsel aber eine sehr positive Dynamik mit sich gebracht. Die Stimmung ist nach wie vor sehr gut und die Zusammenarbeit innerhalb der Fraktion, aber auch mit dem Koalitionspartner läuft sehr kollegial ab – zumindest, soweit ich das beurteilen kann. Ich habe es zwar nicht persönlich erlebt – aber der Erzählung nach unterscheidet sich die Atmosphäre der aktuellen stark von der letzten rot-grünen Koalition. Meiner Einschätzung nach hängt das sehr stark mit dem jeweiligen Spitzenpersonal zusammen.

Inwieweit kannst du bei der Arbeit von deinem Studium profitieren?

Am wichtigsten ist das Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen formellen und informellen politischen Prozessen, das ich im Master-Studium gewonnen habe. Als sehr hilfreich erweisen sich zudem Arbeitsmethoden, mit denen ich mir schnell neue Themen erschließen kann. Und nicht zuletzt übernehme ich selbst beratende Funktionen: Das kommt zwar jeweils auf das Verhältnis zwischen Abgeordnetem und Mitarbeiter an, aber ich werde bei Gelegenheit nach meiner Meinung gefragt und kann mich dann an Maßstäben orientieren, die wir schon in Duisburg diskutiert haben. In diesen Gesprächen geht es dann weniger um inhaltliche Details als vielmehr um mögliche Vorgehensweisen.

Muss man eigentlich Parteimitglied sein, um für einen Abgeordneten arbeiten zu können?

Also, bei mir war das keine Voraussetzung und ich denke auch nicht, dass es notwendig ist. An erster Stelle steht die Loyalität zu dem jeweiligen Abgeordneten. Und natürlich sollte man eine Affinität zu den Themen und Positionen der Partei haben, der der Abgeordnete angehört. Eine Parteimitgliedschaft mag manchen auch opportun erscheinen, denn hinderlich für die Karriere ist sie bestimmt nicht. Hier in der grünen Fraktion haben zwar viele, aber längst nicht alle Mitarbeiter ein entsprechendes Parteibuch.

Wie gestaltet sich die Arbeit in der Minderheitsregierung?

Allen anders lautenden Prognosen zum Trotz ist der politische Alltag überraschend solide. Natürlich erfordert das Regierungsgeschäft große Fraktionsdisziplin, doch selbst die reicht oft nicht aus: Mehrheiten müssen immer wieder neu organisiert werden. Und hier arbeiten wir mit allen Oppositionsfraktionen zusammen, die Mehrheitsfindung orientiert sich überwiegend an Fachfragen. Der Regierung erwächst zwar ein strategischer Vorteil aus der Tatsache, dass die Opposition uneins ist. Trotzdem ist der große Wurf schwierig: Die rot-grüne Minderheitsregierung betreibt eher eine konsensorientierte Politik der kleinen Schritte – doch das ist vielleicht nicht das schlechteste Modell.

Welche Konsequenzen hatten die Debatte und die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts über den Haushalt?

Die Notwendigkeit zu sparen ist weiter in den Vordergrund gerückt und nimmt in der öffentlichen Wahrnehmung eine noch prominentere Stellung als zuvor ein. Die Frage, ob der Haushalt nun verfassungskonform ist oder nicht, hat natürlich eine starke politische Dimension. Das Gericht hat nun den Gesetzgeber damit beauftragt, seine Argumentation besser zu begründen. Aber bislang hat das Urteil in Münster nicht dazu geführt, dass sich meine Arbeit stark verändert hätte.

Welche Rolle spielt das Superwahljahr 2011 für die Landespolitik?

Die unmittelbaren Auswirkungen sind vielleicht gering, aber die Wahlergebnisse haben eine strategische Bedeutung und werden dementsprechend einer ausführlichen Bewertung unterzogen. Zudem unterstützen sich die Landesverbände gegenseitig im Wahlkampf. Für die Grünen hat das Wahljahr ja ausgesprochen gut begonnen – und die Partei

kann sich in der Hoffnung tragen, dass dahinter auch ein gesellschaftlicher Bewusstseinswandel steht und nicht nur ein kurzfristiger Trend. Es bleibt auf jeden Fall spannend! Henning, vielen Dank für das Gespräch!

Henning Becker

ist Absolvent des Master-Studiengangs Politikmanagement an der NRW School of Governance und Mitbegründer des HAMMELSPRUNG. Zuvor studierte er Politikwissenschaft und Öffentliches Recht an der Universität Rostock. Während seines Studiums absolvierte er Praktika im Bundespresseamt und im Europareferat des Arbeitsministeriums NRW. Seit Mai 2010 ist er Büroleiter des Landtagsabgeordneten Mehrdad Mostofizadeh.