Nur Geld regiert die Welt? Nicht einmal in den USA!

Geld und Politik sind in den Vereinigten Staaten wohl so eng miteinander verwoben, wie in keiner anderen westlichen Demokratie. Kein Wunder also, dass schnell über Korruption und Käuflichkeit spekuliert wird. Doch die hierzulande so oft vertretene, aber viel zu einfache Gleichung, dass Geld in den USA automatisch zu Einfluss und politischem Erfolg führt, greift zu kurz. Das hat der vergangene Präsidentschaftswahlkampf erneut eindrücklich gezeigt.

Wenn sich der republikanische Abgeordnete Darrell Issa oder der demokratische Senator John Kerry durch die Flure der Macht, die Gänge des Washingtoner Kapitols bewegen, wenn sie mit ihren Abgeordneten- oder Senatorenkollegen um Gesetze und Einigungen ringen, dann sieht man ihnen nicht immer gleich an, dass sie unter den insgesamt 535 Mitgliedern des Kongresses zumindest in einer Hinsicht deutlich hervorstechen: Beide gelten als die reichsten Politiker ihrer jeweiligen Parlamentskammer. Mit einem Privatvermögen von geschätzten 450 Millionen Dollar führt Darrell Issa, der sein Geld als Geschäftsführer eines Alarmanlagen-Herstellers verdiente, die Rangliste der wohlhabendsten Mitglieder des Repräsentantenhauses an. John Kerry konnte mit einem geschätzten Vermögen von rund 230 Millionen Dollar zwar nur etwas mehr als die Hälfte von Issas Reichtum anhäufen, gilt aber dennoch als der mit Abstand reichste US-Senator. Das bedeutet allerdings nicht, dass man seine Abgeordnetenkollegen als arm bezeichnen könnte. Ganz im Gegenteil: Der Kongress – also Repräsentantenhaus und Senat – gilt heute als Club der Millionäre. Wie Studien des Center for Responsive Politics ergeben haben, verfügten im Jahre 2011 fast die Hälfte aller Abgeordneten über ein Privatvermögen von mehr als einer Million US-Dollar. Während die Mitglieder des Repräsentantenhauses im Mittel ein finanzielles Polster von rund 760000 Dollar hatten, ging es den Senatoren mit gemittelten 2,6 Millionen Dollar deutlich besser.

Geld als Ressource politischen Erfolgs?

Von dem Hintergrund solcher Zahlen, liegt der Verdacht natürlich nahe, dass es in den Vereinigten Staaten vor allem eine Ressource gibt, die politischen Erfolg garantiert: Geld! Ein Bild, das sich zweifelsohne nahtlos in die hierzulande gepflegten Vorurteile und Stereotypen über das amerikanische politische System einfügt. Wo auf der Welt, wenn nicht in den USA, sind Politik und Wirtschaft, Politik und Geld schon so eng miteinander verwoben? Schließlich brechen Wahlkampfbudgets dort in steter Regelmäßigkeit alle Rekorde, nehmen Interessengruppen einen immer größeren Einfluss auf politische Entscheidungen und werden Spenden in immer abwegigeren Summen getätigt. Wer soll vor diesem Hintergrund nicht daran glauben, dass Politik in den USA – unabhängig von jedweder Parteiorientierung – vor allem eines ist: Nämlich käuflich?

Doch das Bild trügt. Macht man sich die Mühe, sich über die in Deutschland und Europa – leider teilweise auch in der politischen Wissenschaft – verbreiteten Schemata und Erklärungsmuster hinaus mit der Beziehung von Geld und Einfluss in der amerikanischen Politik zu beschäftigen, so ergibt sich ein deutlich facettenreicheres, weil differenzierteres Bild. Zwar bleibt auch hier klar, dass Geld selbstverständlich eine wichtige und einflussreiche Variable ist, wenn es um den Wahlerfolg von Kandidaten geht, doch Geld allein erklärt recht wenig. Anders ist es kaum zu erklären, dass selbst die finanzstärksten Wahlkampagnen immer wieder scheitern oder finanziell schlecht ausgestattete Kandidaten politischen Erfolg haben. Gerade für letztes gab es dabei im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf recht gute und bekannte Beispiele. Weder Präsident Barack Obama, noch der republikanische Vize-Präsidentschaftskandidat Paul Ryan können schließlich von sich behaupten, mit dem goldenen Löffel auf die Welt gekommen zu sein. Beide haben es trotz vergleichsweise schlechter finanzieller Ausgangsbedingungen geschafft, sich mit ihren – zugegebenermaßen sehr unterschiedlichen – programmatischen Ideen und ihrem rhetorischen Talent, im Washingtoner Polit-Betrieb durchzusetzen. Gerade Barack Obama steht wohl wie kein zweiter für das Leben des amerikanischen Traums, für den Aufstieg aus einfachen Verhältnissen an die Spitze des Staates.

Eine Geschichte, die eigentlich auch Paul Ryan verkörpert, womit er aber zumindest in Deutschland kaum durchdringt. Kein Wunder, bei der hierzulande teils tendenziösen Presseberichterstattung über die Republikanische Partei und ihren angeblich so trotteligen Kandidaten Mitt Romney, von dem jeder öffentliche Auftritt lange Zeit als das lächerliche Theater eines Multimilliardärs – ein Hinweis, der in fast jedem Medienbericht enthalten war – durch den medialen Kakao gezogen wurde. Anstatt sich mit seinem Programm zu beschäftigen, beschränkten sich viele Journalisten vor allem darauf, sich über seine Äußerungen zu Flugzeugfenstern, den 47 demokratischen Prozent der Wählerschaft oder den Olympischen Spielen in London zu beschäftigen. Schließlich war es auch in diesem Wahlkampf wieder leichter, verbreitete Vorurteile zu bedienen, statt sich mit den tatsächlichen politischen Ideen der Bewerber zu beschäftigen. Dass Romney dann sogar das erste TV-Duell mit Barack Obama ganz eindeutig für sich entscheiden konnte, kam für viele deutsche Beobachter vor dem Hintergrund ihrer verfestigten Stereotype völlig überraschend.

Unverständnis gegenüber amerikanischer Politik

Die Bedenken gegenüber reichen und vermögenden Kandidaten gehen dabei einher mit dem grundsätzlichen Unverständnis, das viele Europäer dem amerikanischen System der Wahlkampffinanzierung entgegenbringen. Anders als in Deutschland greifen die Kandidaten dort nämlich in der Regel nicht auf die – durchaus vorhandenen – staatlichen Finanzierungshilfen zurück, sondern zahlen ihre Wahlkampagnen aus privaten Mitteln. Das wiederum führt dann zu den teils utopischen Spendensummen, die immer wieder durch die Berichterstattung geistern und auch in diesem Wahljahr wieder alle Rekorde brachen. Neben der ohnehin üblichen Steigerung haben in diesem Wahlkampf zum ersten Mal die sogenannten SuperPACs eine wichtige finanzielle Rolle gespielt. Sie ermöglichen es nun auch Unternehmen – in unbegrenzter Höher und fast ohne nennenswerte Beschränkungen – die Wahlkampagnen der Kandidaten zu unterstützen. Bisherige Bestimmungen, die Spendenaufkommen und Spendenquellen regulierten, waren durch das Urteil des Obersten Gerichtshofs im Fall Citizens United vs. Federal Election Commission erst 2010 für nichtig erklärt worden. Stattdessen war das Gericht der Auffassung, dass das Spenden von Geld für politische Kampagnen nichts anderes sei, als die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Ein Recht, dass nach Meinung des Gerichts durchaus auch Unternehmen zustehe. Eine Auffassung, die den meisten Europäern – aber durchaus auch vielen US-Amerikanern – völlig zuwider ist.

In der Folge des Urteils wurde bereits viel über dessen Konsequenzen und die nun vermeintlich unbeschränkt fließenden, höchst einflussreichen Geldmittel spekuliert. Klar ist: Gerade im republikanischen Vorwahlkampf spülten die verschiedenen SuperPACs der Bewerber ungekannt viel Geld in die Kampagnen. Auch im eigentlichen Präsidentschaftswahlkampf spielen die neuen politischen Komitees eine große Rolle. Doch wenn die SuperPACs tatsächlich derart einflussreich und manipulativ sein sollten, wie in der Öffentlichkeit teilweise befürchtet, dann hätte schon früh feststehen müssen, welcher der beiden Präsidentschaftskandidaten im Januar 2013 ins Weiße Haus einzieht: Der Republikaner Mitt Romney. Schließlich hat er die mit Abstand finanzkräftigsten Komitees auf seiner Seite. Gezeigt hat sich jedoch ein anderes Bild: Mit großem Abstand hat am 6. November der finanziell deutlich schlechter ausgestattete Amtsinhaber Barack Obama gewonnen. Ganz so einflussreich, wie von vielen befürchtet, scheinen vor diesem Hintergrund auch die Millionen aus Romneys SuperPACs nicht gewesen zu sein. Politik und Wahlerfolge lassen sich eben nicht so einfach kaufen, nicht mal in den USA.

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