Medialer Akteur oder nur Mediator? Die medienpolitische Rolle der Europäischen Union

Medienpolitik ist über weite Strecken immer noch nationale Politik. Doch auch die Europäische Union nimmt hier, von der Öffentlichkeit teilweise unbeachtet, Einfluss. Warum ein Mehr an Europa auch in diesem Bereich Vorteile bringt und sinnvoll ist. 

Medien an sich werden häufig mit dem Begriff „vierte Gewalt“ oder „vierte Macht“ in Anlehnung an Montesquieu und Rousseau bedacht. Es erstaunt daher wenig, dass im Medienbereich ein mittlerweile komplexes Geflecht nationalstaatlicher Gesetzgebung existiert. Zu Landesrundfunkanstalten in Deutschland gesellen sich mehrere Gesetze wie die Landesmediengesetze sowie mittlerweile drei Rundfunk-Urteile des BVerfG – wohlgemerkt nur in unserem Land.

Die EU-Kommission hingegen kann sich im Bereich Kultur nur sehr vorsichtig mit Vorschlägen an die nahezu herausragende Dominanz der nationalstaatlichen Kulturhoheit herantasten. Das Europaparlament hat mit dem Ausschuss „Kultur und Bildung“ ein ebenso herrlich unkonkretes Sammelsurium an Bildungs-, Freizeit-, Sport- und Kulturpolitik abzudecken. Klare und verbindliche Zuständigkeiten sehen anders aus. Wie kommt hier also Europa ins Spiel?

Warum die EU trotzdem Einfluss hat

Während auf nationaler Ebene, gerade für die deutschen Bundesländer, Kultur also einem heiligen Gral gleich kommt, den es unter allen Umständen zu verteidigen gilt, kann sich die EU mangels Kompetenzen wie so oft nur in ökonomischen Zusammenhängen durchsetzen. Ein konkretes Beispiel ist das ehemals viel beachtete Urteil des EuGH zum Pay-TV-Sender Sky. Eine britische Pub-Besitzerin zeigt Fußballspiele mit einer griechischen Sky-Lizenz, die nur einen Bruchteil der englischen Variante kostet. Die englische Vermarktungsgesellschaft klagte, die Wirtin aber bekam vor dem EuGH Recht. Grundlage war unter anderem die EU-Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ von  1989, überarbeitet 1997, in der definiert wird, wie ein gemeinsamer Binnenmarkt auch im Rundfunkbereich auszusehen hat. Dazu gehört eben auch, dass Sendungen als Dienstleistungen in allen Mitgliedstaaten gezeigt werden können müssen.

Ein weiteres brisantes Beispiel ist das 2010 in Ungarn verabschiedete und höchst umstrittene Mediengesetz, das einer staatlichen Medienbehörde beispiellos viel Macht geben sollte. Das Offenlegen journalistischer Quellen und die Kontrolle redaktioneller Inhalte sind nur zwei Aspekte, die in einem krassen Widerspruch mit dem europäischen Verständnis von Presse- und Medienfreiheit standen. Nach erheblichem Druck von Seiten der EU-  im Verbund mit einzelnen Mitgliedstaaten – wurden die genannten Punkte zwar später geändert, ein fader Beigeschmack bleibt dennoch. Medienrechtler argumentierten, es sei Aufgabe von Gerichten, über die Medienfreiheit zu wachen. So weit, so gut. Je mehr politisierte Entscheidungen von Gerichten jedoch getroffen werden, desto eher besteht die Gefahr einer Wandlung der Judikative zur politischen Instanz. Gerade in Deutschland ist dieser Punkt im Zusammenhang mit dem BVerfG in letzter Zeit häufiger zu hören.

Direkte Maßnahmen, indirekte Ergebnisse

Die beiden genannten Beispiele sind dabei nur die aktuellsten Episoden einer langen Entwicklung. Schon 1982 brachte das Europäische Parlament mit dem Hahn-Bericht die Frage auf den Schirm, inwieweit national organisierte Mediensysteme die europäische Integration behindern.

Deutschland und Großbritannien haben vergleichsweise gut funktionierende Rundfunksysteme, lässt man das Internet an dieser Stelle einmal außen vor. Der Blick in andere Länder Europas zeigt aber, dass Fernsehen eben nicht überall so rund läuft, wie man es sich wünschen würde. Man denke an dieser Stelle nur einmal an Italiens Medienmogul Berlusconi, der in der Lage war, jahrelang eine politische Alleinunterhaltungssendung zu produzieren. Ein einzelner Staat ist da sicherlich der falsche Akteur, um auf ein anderes Land gegebenenfalls Druck auszuüben. Der EU stünde diese Rolle wesentlich besser zu Gesicht.

Ausdruck einer europäischen Medienpolitik ist zudem das MEDIA Plus Programm der EU. Dessen Hauptziele sind Filmprojektentwicklung, Verleih und Vertrieb europäischer Filme über die Herkunftslandesgrenzen hinaus. Dafür stand im Zeitraum 2007 bis 2013 immerhin eine Gesamtsumme von knapp 755 Millionen Euro bereit. Zu den geförderten Filmen zählen unter anderem Michael Hanekes Film „Liebe“ sowie die schwedisch-britische Dokumentation „Searching for Sugarman“. Die Tatsache, dass beide Filme 2013 jeweils einen Oscar gewonnen haben war jedoch nicht viel mehr als eine Pressemitteilung und ein paar Kurzzeiler in der Tagespresse wert. Es mangelt angeblich an öffentlichem Interesse. An dem Interesse einer europäischen Öffentlichkeit?

Europäische Medienpolitik – Europäische Öffentlichkeit?

In seiner lange erwarteten Grundsatzrede zu Europa formulierte Bundespräsident Joachim Gauck Anfang 2013 die Idee eines „Arte für alle“, ein gesamteuropäischer Fernsehkanal also. Viele Europäer sehen ähnlich wie Gauck auf diesem Feld die einmalige Gelegenheit, die vielzitierte europäische Öffentlichkeit auf ein neues Niveau zu heben.

Wie transnational das Fernsehen heute schon sein kann führt uns jedes Jahr wieder der Eurovision Song Contest vor Augen.  Im Unterhaltungsbereich ließ sich Deutschland ohnehin schon immer von seinen Nachbarn unter die Arme greifen. Unvergessen sind die jahrzehntelangen Verdienste des Niederländers Rudi Carrell um die deutsche Unterhaltungslandschaft. Und wer von uns denkt da nicht dauernd dran? Ebenso prägend war die holländische Produktionsfirma Endemol, die den deutschen Samstagabend in den 1990ern auf RTL quasi neu erfand.

Nicht zuletzt hat die hiesige Berichterstattung über das Geschehen in anderen Ländern vor dem Hintergrund der aktuellen Krise neue Dimensionen angenommen. Waren Parlamentswahlen in Südeuropa vor einigen Jahren noch Grund für einen einminütigen Tagesschaubeitrag, wird man heute schon Wochen vorher mit Analysen und Hintergrundinformationen versorgt. Ähnliches gilt für die hitzige Debatte über die gleichgeschlechtliche Ehe in unserem Nachbarland Frankreich. Fast täglich flimmerten aktuelle Vorkommnisse über deutsche Bildschirme und hielten uns über den Gesetzgebungsprozess auf dem Laufenden.  Gerade das sollte uns doch zeigen, dass es in weiten Teilen rein nationales Fernsehen eigentlich kaum noch gibt. Europaweite medienpolitische Integration passt demnach an dieser Stelle ziemlich gut ins Bild.

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