3 Fragen an…..Wulf Schmiese

1. Schmidt, Schröder, Merkel – wie emotional sind Spitzenpolitiker heute noch?

Auch Spitzenpolitiker sind eine heterogene Gruppe: Manche zeigen Gefühle öffentlich, wie es etwa Schröder und vor allem Kohl es taten. Beide schämten sich nicht ihrer Tränen. Andere sind da zurückhaltend, wie Schmidt und Merkel. Adenauer zählte wohl auch zu den emotional Disziplinierten. Insofern ist da nicht in Heute und Gestern zu unterscheiden, sondern in Typen.

2. Das Bild des unfehlbaren Politikers – interpretieren die Medien Emotionen als Schwäche?

Gefühlsausbrüche werden von Medien negativ interpretiert, wenn sie als unangemessen empfunden gelten: Etwa das Weinen der kurzzeitigen Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke nach einer Rathausrede, mit der sie auf Angriffe der Opposition reagierte. Teilweise werden Emotionen aber durchaus als Stärke empfunden, zumindest als Ausdruck unverbogenen Charakters. Wie Kohl sich den Eierwerfer von Leipzig packte galt in vielen Kommentaren als nachvollziehbare Reaktion und wurde gelobt als Zeichen, dass selbst ein wahlkämpfender Kanzler sich nicht alles bieten lassen muss. Tränen in hochemotionalen Momenten wie Zapfenstreich oder Kranzniederlegungen werden als Herzenswärme positiv wahrgenommen.

3. Stichwort Authentizität – sehen Sie Unterschiede zwischen TV und Print?

Politiker sind in TV-Interviews insofern authentischer, weil zu ihren Worten Gestik und Mimik kommen und Gesagtes nicht mehr zu redigieren ist. Die wahre Authentizität darzustellen allerdings ist für Print wie TV gleichermaßen eine gewaltige Herausforderung. Sie kann in beiden Formaten gelingen. Ein stark geschriebenes Porträt mag zuweilen noch schonungsloser daherkommen, weil darin – im Wortsinn – die ungeschminkte Wahrheit geschrieben kann. Es ist leichter, Weggefährten zu zitieren, die nicht namentlich auftauchen. Dagegen ist der eigentliche Bild- und Ton-Vorteil des Fernsehberichts ein Nachtteil.