3 Fragen an… Oliver Geden

Im Verhältnis von Politik und Öffentlichkeit scheinen Experten eine zunehmend wichtige Rolle einzunehmen. Was macht die Rolle des Experten dabei aus?

Hier gibt es sicher Unterschiede zwischen einzelnen Politikfeldern. Generell lässt sich jedoch festhalten, dass Experten insbesondere zwei Funktionen erfüllen. Zum einen analysieren und bewerten sie zunehmend komplexer werdende Sachfragen und formulieren Handlungsempfehlungen für Politik und Administration. Zum anderen dient die wissenschaftliche Politikberatung, vor allem die Auftragsforschung, Politik und Administration aber immer auch dazu, Entscheidungen eine zusätzliche Legimitation zu verschaffen.

 

Wie viel Einfluss haben die Experten dabei auf die umgesetzte Politik? Leben wir mittlerweile in einer Expertokratie?

Ich würde nicht sagen, dass wir in einer Expertokratie leben. Sicherlich kommt die Politik nicht mehr ohne wissenschaftliche Beratung aus. Doch die grundlegende Funktionsweise der Politik verändert sich dadurch nicht. Wissenschaftliche Expertise findet nur dann Eingang in politische Entscheidungen, wenn ihre Erkenntnisse politisch-administrativen Akteuren opportun erscheinen. Mittlerweile sollte man sich eher fragen, welchen Einfluss diese Interaktionsbeziehung auf die Wissensproduktion der Experten hat. In der Energie- und Klimapolitik beobachte ich einen zunehmenden Trend zum „policy-based evidence making“, weil der weitgehend drittmittelfinanzierte Markt für Expertise sich fast nur noch darauf beschränkt, von den Ministerien aufgeworfene Fragen zu beantworten, und zwar in einer Weise, die die Chance auf zukünftige Aufträge nicht verbaut. Wissenschaftlichkeit im Sinne von Erkenntnisoffenheit bleibt dabei weitestgehend auf der Strecke, von einem „evidencebased policy making“ kann man hier in vielen Bereichen nicht mehr sprechen. So werden beispielsweise klimaökonomische Modelle immer risikofreudiger und realitätsferner gerechnet, um das politische gesetzte 2°C-Erderwärmungsziel als noch einhaltbar erscheinen zu lassen.

 

Wie kommt es dazu, dass wissenschaftliche PolitikberaterInnen die Wissenschaftlichkeit nur als eines unter mehreren Kriterien für ihre Arbeit sehen? Gibt die Wissenschaft ihre Unabhängigkeit auf?

Einen so allgemeinen Schluss sollte man daraus nicht ziehen. Aber: Die PolitikberaterInnen stecken in einem Dilemma: Entweder sie entscheiden sich für einen gewissen politischen Pragmatismus oder sie werden von Politik und Administration ignoriert. Public Policy-ForscherInnen bewegen sich in einem hart umkämpften Drittmittelmarkt, in dem die größten Volumina nicht von den klassischen Forschungsförderungsorganisationen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft verwaltet werden, sondern von der EU Kommission, Bundesministerien und nachgeordneten Fachbehörden. Wissenschaftlichkeit der Expertise ist selbstverständlich eine Grundvoraussetzung, politische Passförmigkeit der zu erwartenden Ergebnisse aber oft der entscheidende Faktor. Das bedeutet nicht, dass die BeraterInnen selbst einer politischen Partei nahestehen müssten, aber oft wird erwartet, dass sie sich bei der Auswahl von Grundannahmen für Policy-Studien an den sehr engen Vorstellungen der politischen Verwaltung orientieren. Sehr viel größere Freiräume genießen Beratungsorganisationen mit einem hohen Anteil institutioneller Grundförderung, etwa der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung oder auch die Stiftung Wissenschaft und Politik. Am größten sind die inhaltlichen Freiräume nach wie vor an den Universitäten, was möglicherweise ihre begrenzte Bedeutung in der angewandten Policy-Beratung erklärt.

 

Geden

 

 

 

 

Die Fragen stellte Felix Schenuit