die spiele der anderen

Sie sind Goldmedaillen-Gewinner bei Olympischen Spielen, Sieger bei großen Turnieren, feiern jahrelang Erfolge und sind dennoch unglücklich. Für ihre Leistung werden sie gefeiert, doch die Person, die sich hinter dem Erfolg verbirgt, kennen nur die wenigsten. Homosexualität im Sport ist auch in unserer aufgeklärten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts noch ein schwieriges Thema. Internationale Sportfestivals können hier als Katalysator für Akzeptanz und Toleranz sorgen. Doch müssen auch Politik und Medien Einsatz zeigen, um der Tabuisierung endlich einen Riegel vorzusetzen.

 

Ein Beitrag von Isabelle Sonnenfeld

Das Sportfest ohne getrennte Kabinen

Es sind Tränen der Freude, Tränen der Freiheit. Rahya und Maalik, zwei Sportler aus Nigeria – sie 100m-Läuferin, er Weitspringer – liegen sich in den Armen und sind ergriffen von der Szenerie. Im Kölner Rheinenergie Stadion bejubeln die zwei nigerianischen Sportler sich und die anderen rund 10.000 Sportler aus 70 Ländern bei der Eröffnungsfeier der 13. Gay Games. “Be part of it!“ – diesem Motto sind Rahya und Maalik gefolgt und nach Köln gereist, um an den Gay Games teilzunehmen. Selbstverständlich ist ihre Teilnahme nicht, denn in ihrer Heimat Nigeria kann ihnen die Todesstrafe durch Steinigung drohen. Homosexualität ist in dem afrikanischen Land gesellschaftlich tabuisiert, Schwule und Lesben werden geächtet. Um nach ihrer Rückkehr nicht strafrechtlich verfolgt zu werden, starten sie bei den Gay Games unter falschen Namen.

Mit der Teilnahme am größten internationalen schwul-lesbischen Sportfest betreten Rahya und Maalik eine neue Welt. Eine Welt, in der ihre sexuelle Orientierung keine Rolle spielt. Hier werden sie akzeptiert – so wie sie sind. Ihnen wird Respekt und Zuspruch für ihre sportliche Leistung entgegen gebracht. Als Rahya beim 100-m-Lauf die Goldmedaille gewinnt, hat sie wieder Tränen in den Augen. Nicht, weil sie gewonnen hat, sondern weil ihr so viele Menschen zujubeln. Genau hier zeigt sich die Essenz der Gay Games. Schwule und lesbische Sportler dürfen eine Woche lang ihr sportliches Können unter Beweis stellen und dabei zu ihrer Sexualität stehen. Sie werden nicht danach bewertet, ob sie schwul, lesbisch oder bisexuell sind. Es zählt allein der Erfolg im Wettkampf.

Die Gay Games sind richtungsweisend, sie schlagen Brücken. Seit über einem Vierteljahrhundert sorgen sie für einen kulturellen, sozialen und politischen Austausch innerhalb der schwul-lesbischen Community, aber vor allem auch darüber hinaus. „Viele Menschen müssen wegen ihrer Sexualität in Angst leben. Und so lange das so ist, müssen wir für mehr Freiheit und Toleranz kämpfen. Wir fragen nicht nach Privilegien, wir fragen nach Respekt“, sagte Guido Westerwelle im Rahmen der Eröffnungsfeier. Sportliche Großereignisse wie die Gay Games, die zum ersten Mal 1982 in San Francisco stattgefunden haben, können der Katalysator für Akzeptanz, Toleranz und Emanzipation sein. Sport begeistert und verbindet, er reißt imaginäre Mauern in den Köpfen nieder.

It’s a men’s world

Die Fußball-WM in Südafrika ist vorbei. Sie haben sich in den Armen gelegen, gemeinsam den 3. Platz bejubelt – und keinem kam das komisch vor. Jogi’s Jungs gelten als Aushängeschild für ein modernes, offenes und multikulturelles Deutschland. Spieler mit Migrationshintergrund werden zum Superstar gekürt, sie werden für den Erfolg in der deutschen Integrationspolitik instrumentalisiert. Von Diskriminierung also keine Spur. Doch dass Homosexualität auch im Profi-Fußball eine Rolle spielt, scheint an dieser Stelle niemanden zu interessieren. Deutschland braucht zwar keinen Vorzeige-Schwulen mit Stollenschuhen in der Nationalelf. Aber wenn Integration hinsichtlich der Herkunft gefördert wird, dann sollte Integration hinsichtlich der sexuellen Orientierung nicht die rote Karte gezeigt werden. Fußball – das ist Männlichkeit, Kraft, Härte; das ist Bier, Bratwurst und Homophobie. Schwule Balletttänzer oder Eiskunstläufer, keine Frage – die gibt es. Schwule Fußballspieler, die sucht man besonders im Profi-Fußball vergeblich. Wenn, dann wird Homosexualität mit übertriebener Härte kaschiert, denn viele Fußballer rechnen mit einem Karriereknick, wenn sie sich outen. Das „Gefangenen-Dilemma“ scheint im Fußball von der Kreisliga bis zur Bundesliga Anwendung zu finden. Homosexuelle Spieler werden nur diskriminiert, wenn sie sich outen, aber sie outen sich nicht aus Angst vor Diskriminierung. Fußball ist zwar nicht die letzte Bastion der Homophobie, aber eine, die verdammt schwer zu knacken ist. Fußball ist ein Reservat für überkommene Männlichkeitsvorstellungen und daher absolut fortschrittsresistent.

Der DFB-Präsident Theo Zwanziger weiß um die Defizite seiner Sportart. Er versucht einen Paradigmenwechsel im Fußball anzuleiern und bricht das Schweigen über das Thema. Eine Broschüre „Gegen Diskriminierung von Homosexuellen im Fußball“ veröffentlicht der Verband mittlerweile. Um homosexuellen Spielerinnen und Spielern zu helfen, engagiert sich der DFB seit vielen Jahren stärker im Kampf gegen Homophobie, Rassismus und Diskriminierung. Der große Erfolg blieb bis jetzt aus. Und doch hat das Engagement erste Früchte des Erfolgs getragen. Der Amateurbereich macht es vor. Hier stehen immer mehr Spielerinnen und Spieler zu ihrer Homosexualität. Auch wenn es nur Einzelfälle sind, geben sie Hoffnung, dass der Kampf gegen Homophobie im Männersport Fußball endlich zu mehr Akzeptanz führt.

 

Der rote Teppich kennt kein Tabu

Abseits des Sportplatzes und der Tartanbahn, dort wo der rote Teppich den Boden schmückt und die hellen Scheinwerfer für Glamour sorgen, scheint das Tabuthema Homosexualität nur im Nebensatz eine Rolle zu spielen. Hier tummelt sich das Who-is-Who der deutschen Prominenz. Und auch wenn der deutsche Außenminister Guido Westerwelle erst am Vortag seinem Lebensgefährten Michael Mronz das Ja-Wort gegeben hat, scheinen sich die meisten Prominenten eher für die Preisverleihung zu interessieren als für das Liebesleben des Vizekanzlers. Guido Westerwelle reiht sich ein in die Gruppe von Prominenten aus Politik und Fernsehen, die öffentlich zu ihrer Homosexualität stehen. Anne Will, Klaus Wowereit oder Hape Kerkeling – sie gehören zu den schillerndsten Prominenten, die mit Partnerin oder Partner über den roten Teppich flanieren. In den Medien wird kein böses oder kritisches Wort über diese gleichgeschlechtlichen Beziehungen verloren. Im Scheinwerferlicht scheinen Vorurteile dahin zu schmelzen. Schwule oder lesbische Prominente werden akzeptiert und zumeist noch für ihre Offenheit bewundert. Warum also kann ein schwuler Außenminister Hand in Hand mit seinem Lebensgefährten über den roten Teppich laufen, während ein Profi-Fußballer seinen langjährigen Freund an diesem Abend zuhause lassen muss, aus Angst vor einer Medienschelte und dem oft prophezeiten Karriereaus? In Medien und Politik – ja. Im Sport – nein.

Und doch gibt es sie – die prominenten schwulen, lesbischen und bisexuellen Spitzensportler: Martina Navratilova (Tennis), Greg Louganis (Turmspringer), Amelie Mauresmo (Tennis), Brendan Burke (Eishockey), Ryan Miller (Snowboard) Mark Tewksbury (Schwimmen) sind nur einige wenige, die in der Öffentlichkeit auftreten. Homosexualität gibt es in jeder Disziplin und auf jeder Ebene des sportlichen Erfolgs, vom Amateur bis zum Spitzensport, und doch fällt auf, dass gerade in Einzeldisziplinen die Akzeptanz von Homosexualität eher verbreitet ist, als im Mannschaftssport. Hinzu kommt, dass sich die meisten Sportler erst am Ende ihrer Karriere öffentlich zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen.

Die gesellschaftliche Akzeptanz in Deutschland ist gestiegen, jedoch mit Schönheitsfehlern. Es hat sich gesamtgesellschaftlich einiges getan. Ob auf dem roten Teppich, auf dem politischen Parkett oder zur Prime-Time in Soaps und Krimiserien – Homosexualität ist in der Gesellschaft angekommen. Nur im alles verbindenden, über die Grenzen vereinigenden, niemals diskriminierenden (Spitzen-)Sport sind Schwule und Lesben nur vereinzelt zu finden. Nach jahrelanger Auseinandersetzung mit dem Thema fragt man sich dennoch: warum gerade im Sport?

Ein Marathon, kein Sprint

Der organisierte Sport, das zeigen die wenigen Beispiele von Spitzensportlern, die sich geoutet haben, muss sich noch intensiver mit dem Thema Homophobie beschäftigen. Es wird daher wohl noch ein paar Jahre dauern, bis der erste Bundesliga-Profi in den Medien bekennt: „Ich bin schwul, und das ist gut so“. Wenn Rahya und Maalik es trotz Androhung der Todesstrafe im Heimatland wagen, an den 13. Gay Games teilzunehmen – auch wenn sie unter falschem Namen und im Schutze des Outreach- Programmes an den Start gingen, stellt sich die Frage, wann der deutsche Profi-Sport mit Offenheit statt mit Diskriminierung punktet. Der selbstverständliche Umgang mit Homosexualität im Sport kann nur erreicht werden, wenn die „Problematik“ überhaupt thematisiert wird. Das kann bei der nächsten Vereinsversammlung des SV Quakenbrück sein oder bei einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Und auch die Gay Games können hier nur als Katalysator fungieren. Diese Breitensportfestivals sind wichtig – keine Frage. Doch ein Ende der Stigmatisierung ist erst dann erreicht, wenn diese Spiele politisch und gesellschaftlich nicht mehr notwendig sind und sie ein sportliches Ereignis wie jedes andere darstellen.

Das Outing im Sport sollte also nicht mehr als Fahndung ablaufen, sondern als Chance begriffen werden, Homosexualität in allen gesellschaftlichen Bereichen zu verankern. Selbstverständlich zählen wir auch Politiker oder Prominente zu unseren Vorbildern, doch die Spitzensportler, die uns mit ihrer sportlichen Höchstleistung begeistern und staunen lassen – sie sind es, die wir anfeuern und bejubeln, sie sind es die uns wochenlang an den Fernseher fesseln und mit denen wir mitfiebern. Und bei all dem Jubel über sportliche Erfolge sollte also die sexuelle Orientierung des einen oder anderen Sportlers keine Rolle spielen. Denn Leistung definiert sich nicht über die sexuelle Orientierung, sondern über Können, Talent und Ehrgeiz.

Isabelle Sonnenfeld

ist Chefredakteurin des hammelsprung und gehört zum Abschlussjahrgang 2010 des Masters Politikmanagement der NRW School of Governance. Ihre Schwerpunkte im Studium liegen im Bereich Politische Kommunikation, Neue Medien und Nachhaltigkeit. Ihre Abschlussarbeit schreibt sie über den Wandel politischer Kommunikation am Beispiel Twitter.