„mesut özil ist beispiel für eine gelungene integration“

Armin Laschet über die Integrationsleistung des Sports, die deutsche Nationalmannschaft und die nordrheinwestfälische Integrationspolitik.

die Fragen stellten Karina Hohl und Anna von Spiczak

Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach der Sport allgemein für die Gesellschaft?

Sport ist sehr wichtig, weil er gerade in der Jugendarbeit ermöglicht, dass junge Leute eine ganze Menge für ihr Leben lernen. Mir war gerade als Jugendminister immer wichtig zu sagen: Es gibt auch außerschulische Lernorte. Lernen ist nicht nur Schule. Lernen ist auch Jugendarbeit, Verbandsarbeit und eben auch Engagement im Sport. Jugendliche lernen dort, dass man im Team vieles schafft, dass man verlässlich sein muss, dass man regelmäßig zum Training kommt, dass die Leistung des Einzelnen zählt und nicht die Herkunft. Es gibt sehr vieles was Sport leistet. Insofern ist es gut, dass Sport gefördert wird, sowohl in der Jugendarbeit als auch bei Erwachsenen, aber der Schwerpunkt ist die Jugendarbeit.

Dürfen wir Sie aus einer Ihrer Reden zitieren? Sie sagten einmal: „Wichtig ist auf’m Platz! Das ist nicht nur eine alte Fußballweisheit, das gilt auch für die Frage der Integration. Es ist ja kein Zufall, dass die Bundesligamannschaften eigene Deutschkurse für ihre Spieler anbieten. Sondern eine gemeinsame Sprache ist notwendig, damit das Zusammenspiel klappt.“ Warum wählten Sie dieses Beispiel des Fußballs zur Illustration? Welche besondere Integrationsleistung können der Sport und das Vereinswesen leisten?

 

Es gibt viele Sachen, die man mit Fußball und Sport verbinden kann. Das Erste ist die Veränderung der Gesellschaft, vor allem bei jungen Leuten. 38 Prozent der Kinder unter 7 Jahren in Nordrhein-Westfalen haben eine Zuwanderungsgeschichte. Dies prägt auch die Sportvereine. Die Vereine müssen also schon im eigenen Interesse Integration antreiben, damit sie überhaupt noch Kinder und Jugendliche haben, die sich in ihren Vereinen engagieren. Deshalb gibt es viele Projekte des DFB, aber auch des Landessportbundes, die die Öffnung der Vereine begleiten und unterstützen. Die Sportvereine sind hier schon sehr, sehr weit.

Das Zweite ist die Gelegenheit für den einzelnen Jugendlichen: Es zählt nur, ob er gut spielt oder nicht und das ist in diesem Zitat drin. Es ist völlig egal, wo er herkommt oder welche Religion er hat oder welchem Kulturkreis er entstammt. Wer in der Fußballmannschaft gut ist, ist mit dabei. Das ist ein Stück auch Anerkennung, man sieht man ist angenommen. In der Integration ist sehr vieles auch Psychologie, wenn man das Gefühl hat, man ist angenommen in dem Land, in dem man lebt, ist das auch eine riesige Hilfe.

Das Dritte ist dann der absolute Spitzensport, zum Beispiel die Fußballnationalmannschaft. Da ist Mesut Özil natürlich ein gutes Beispiel. Er wirkt bei den Jugendlichen, denn für einen zehnjährigen Jungen gibt es nichts Größeres als in der Nationalmannschaft zu spielen. Er zeigt jedem „Du kannst das schaffen. Du kannst in diesem Land, wenn Du dich anstrengst, sogar unter den Elfen sein.“ Das Beispiel Özil und die jetzige Zusammensetzung der Nationalmannschaft zeigen, dass Deutschland anders aussieht als die Helden von Bern 1954. Da gibt es einen Khedira, einen Özil, einen Podolski und einen Klose, die sind auch nicht in Deutschland geboren. Aber die sind typisch für unser Land und das nimmt auch viele der Ängste weg. Özil ist natürlich einer der Ersten, der sich für Deutschland entschieden hat. Er hatte Angebote beider Länder, konnte sich entscheiden und hat gesagt „ich bin hier geboren, ich spiele für Deutschland.“

Der Nationale Integrationsplan der Bundesregierung ist durch drei Ebenen gegliedert: Die Soziale Integration, die kulturelle Integration und die alltagspolitische Integration. Warum eignet sich der Sport besonders gut, um diese Komponenten zu verbinden?

Das liegt natürlich ein wenig an der Vielfalt des Sports, weil er nur funktioniert, wenn all diese Kompetenzen mit berücksichtigt werden. Man braucht soziale Kompetenz genauso wie kulturelle Kompetenz. Und im Alltag muss es auch klappen. Alle drei Komponenten sind mit dem Sport am besten vereinbar.

Welche Maßnahmen werden ergriffen um gegenseitiges Interesse füreinander als auch für den Sport zu wecken?

Es erfordert zunächst von dem Verein, dass er sich öffnet. Das ist nicht selbstverständlich, denn die Vereine haben unterschiedliche Traditionen. Zum Beispiel war damals die DJK (Deutsche Jugendkraft) als Verein für katholische Jungen gegründet worden. Die haben sich heute natürlich längst geöffnet. So haben sie auch Projekte mit Nicht-Christen. Das Interesse und die Bereitschaft mitzumachen wird so geweckt. Es gibt allerdings auch die Tendenz, dass zum Beispiel türkische Vereine nur türkische Jugendliche aufnehmen. Das treibt natürlich auseinander. Türken da, Spanier da, aber nicht in einem Verein zusammen. Ich würde mir wünschen, dass sich die Vereine für alle öffnen.

Um das Konzept umzusetzen, bedarf es verschiedener Ressourcen, insbesondere der nötigen Infrastruktur in Form von Sportstätten, Hallenbädern, Turnhallen etc. Allerdings wird leider immer mehr an diesen notwendigen Gegebenheiten gespart. Wird damit auch an der Integration gespart?

Das Eine ist: Ich bin nicht sicher, ob da wirklich gespart wird. Schwimmbäder können viele Kommunen teilweise nicht mehr stemmen, das stimmt. Aber Sportstätten selbst waren im Konjunkturprogramm ein ganz wichtiger Teil. Viele Kommunen haben die Mittel genutzt, um Sportstätten in einen besseren Zustand zu bringen. Das Zweite ist: Wir haben eine gute Infrastruktur. Das Problem der Vereine liegt weniger an mangelnden Plätzen. Das Problem liegt daran Übungsleiter zu gewinnen, die sich ehrenamtlich engagieren. Das ist ein viel größeres Problem als das reine Infrastrukturproblem. Aber dennoch braucht gerade auch der Sport finanzielle Unterstützung. Es gibt übrigens inzwischen viele Stiftungen, die sich gerade im Bereich Sport und Integration sehr engagieren.

Die schwarz-gelbe Landesregierung hat das Programm „Integration durch Sport“ der nordrhein-westfälischen Sportjugend unterstützt. Wie sehen Sie die potentiellen Chancen der Fortsetzung der Förderung durch die neue Landesregierung?

Das ist im Moment noch schwer zu schätzen. Das Programm war Teil des Innenministeriums. Jetzt ist Sport im neuen Familienministerium angesiedelt und nicht mehr beim Innenminister. Man wird sehen wie man die finanziellen Mittel einsetzt, denn die sind nicht unbegrenzt. Ich würde mir wünschen, dass das Programm weitergeht. Es ist aber schwer abzusehen. Ich sehe keinen Grund, weshalb das Programm abbrechen sollte. Wenn das Programm ausläuft, dann muss man auch den Willen haben das fortzusetzen.

Welche Wege kann die Integration in der Gesellschaft noch nehmen, wenn nicht über den Sport und das Vereinswesen?

Integration gelingt als Erstes durch Bildung. Das ist das Wichtigste, noch wichtiger als der Sport. Wir haben deshalb verpflichtende Sprachtests für alle Vierjährigen eingeführt, damit sie, wenn sie in die Schule kommen, schon die Sprache sprechen. Wenn Kinder in die Schule kommen und den Lehrer nicht verstehen, holen sie das bis zur vierten Klasse nicht mehr auf und ihr weiterer Weg ist vorgezeichnet. Deswegen muss man ganz früh beginnen. Verpflichtende Sprachtests und Förderung schon im Kindergarten – das hat das KIBIZ ermöglicht. Außerdem muss es in der Schule mehr Ganztagsangebote geben. „Ganztag“ bedeutet allerdings nicht nur Schule, sondern Ganztag umfasst auch Jugendarbeit und Sport. Die Grundidee soll sein, dass für jedes Kind, unabhängig von seiner Herkunft, Aufstieg möglich ist und der geht nur durch Bildung. Das ist das Wichtigste: Integration durch Bildung.

Wie würden Sie den aktuellen Stand der nordrhein-westfälischen Integrationspolitik beschreiben? Sind wir auf einem guten Weg?

Als wir begonnen haben war dies das erste Ministerium dieser Art, man hatte keine Vorläufer. Zwei Dinge sind gelungen: Zum einen ist Integration eine echte Querschnittsaufgabe, jeder Minister muss mithelfen. Der Arbeits- und Sozialminister wenn es um Arbeitsplätze geht, der Schulminister wenn es um Bildung geht und der Bauminister wenn es um Städtebau geht. Jeder muss da seinen Anteil leisten.

Zum anderen gibt es auch einen psychologischen Hintergrund. Die Menschen müssen erkennen, dass unsere Gesellschaft multikulturell ist. Dieses Bewusstsein hat eine gewisse Zeit gebraucht und war am Anfang etwas umstritten. Heute ist dieses Bewusstsein Allgemeinkonsens. Heute kann man locker sagen „Deutschland ist ein Einwanderungsland“. Mittlerweile sind wir de facto sogar ein Auswanderungsland. Es gehen inzwischen mehr Menschen weg als kommen, wir haben kein quantitatives Zuwanderungsproblem mehr wie wir das vor 20 Jahren noch hatten. Deswegen ist die Bilanz, dass eine ganze Menge an Bewegungen in Deutschland angestoßen worden ist. Vieles, was wir im Integrationsplan gemacht haben, war Bestandteil des Nationalen Integrationsplans. Heute ist dies ein parteiübergreifender Konsens.

Man darf jetzt nicht nachlassen und man muss den Schwung halten. Meine Sorge ist eher die Unterordnung des Integrationsministeriums ins Arbeitsministerium. Ich hoffe, dass das Thema Integration trotzdem an Bedeutung behält.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Laschet!