von der sprache des sports

Im Sport finden Menschen verschiedenster Abstammung, Religion oder Kulturkreise zueinander. Der Sport ist ihre gemeinsame Sprache, denn für den Jubelschrei beim Siegestor braucht man keine Worte. Wie wichtig Sport für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ist, darf nicht unterschätzt werden.

von Karina Hohl

Da war es wieder. Die WM 2010 in Südafrika bescherte uns nach vier Jahren des Wartens endlich wieder ein Sommermärchen. Deutschlandflaggen, Public Viewing und der Klang der Vuvuzela machte die Weltmeisterschaft am Kap der Guten Hoffnung zu einem unvergesslichen Erlebnis. Jogis Jungs kickten sich mal wieder in die Herzen aller Deutschen, egal ob fußballaffin oder fußballverdrossen. Die deutsche Elf schloss mit einem verdienten dritten Platz ein hervorragendes Turnier ab. Die Fußballnationalmannschaft zeichnete sich in diesem Turnier jedoch nicht nur durch spielerische Vielfalt aus. Auch die Zusammensetzung des deutschen Kaders war sehr vielfältig. Elf der dreiundzwanzig Spieler im Kader haben einen Migrationshintergrund, das entspricht einer kompletten Mannschaft. Özil, Khedira, Podolski und Co. Repräsentieren auf dem Platz, wie es in unserem Land aussieht.

 

Deutschland ist bunt!

Nicht nur die deutsche Nationalmannschaft, sondern auch unser Land lebt von dieser Vielfalt. Derzeit leben 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik Deutschland. Viele von ihnen kamen als Gastarbeiter in den 1970er Jahren hierher, holten ihre Familien nach und starteten ein neues Leben. Andere erreichten Deutschland als Aussiedler und Spätaussiedler. Wieder andere bekamen in Deutschland aus humanitären Gründen Zuflucht gewährt. Die Menschen mit Migrationshintergrund machen unser Land bunter und sind elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft. Damit unsere Gesellschaft auch elementarer Bestandteil ihres Lebens wird, müssen sie in unsere Gesellschaft integriert sein. Die erfolgreiche Integration unserer ausländischen Mitmenschen ist allzeit ein beliebtes und viel diskutiertes Thema in den Medien. Leider geht die mediale Diskussion oftmals vollkommen an der Realität vorbei und kann daher auch keine erfolgreichen Antworten auf die, wie es so schön heißt, „Integrationsfrage“ liefern. Um über Integration zu diskutieren muss zunächst klar sein, was Integration überhaupt bedeutet und was sie leisten soll.

Integration ist ein vielfältiges Wort. Das Wort stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „wiederherstellen“. Integration meint die Herstellung eines Ganzen und widerspricht der Vorstellung von Segregation. Das Wort inkludiert den Schritt des Aufeinander-Zugehens und kann daher auch vom Begriff des Anpassens abgegrenzt werden. Nicht nur der Begriff der Integration hat etwas vielseitiges, auch Integration selber kann sehr vielseitig sein. Eine Möglichkeit zur Integration bietet der Sport.

Auf die Plätze, fertig, Integration!

Sport ist mehr als das bloße Stürmen auf den Ball oder das disziplinierte Streben nach Rekorden. Hinter Sport stehen immer Menschen, die ihn mit Leidenschaft und vor allem Spaß betreiben. Sport lebt von Menschen, ganz egal welche Hautfarbe sie haben. Im Sport kommt es nicht darauf an, welcher Ethnie man entstammt, welche Religion man hat oder welchem Kulturkreis man angehört. Im Sport kommt es darauf an, dass Menschen, oftmals im Team, eine gute Leistung vollbringen und damit dem Sport ein Gesicht geben. Das ist die Sprache des Sportes – die Verbindung möglichst vieler Menschen. Sport bietet daher einen breiten unpolitischen und neutralen Boden, um verschiedenste Menschen mit derselben Idee und demselben Ziel in Kontakt miteinander zu bringen. Sport verbindet unterschiedliche Menschen miteinander, die ohne Worte gemeinsam etwas schaffen können. Sport führt unterschiedliche Menschen zusammen, sie werden zu einem Team, sie werden zu einem Ganzen, sie werden integriert. Sport trägt daher in einem besonderen Maße dazu bei, dass Menschen sich freundschaftlich und fair begegnen. Die Tatsache, dass Integration durch Sport erfolgreich gelingen kann, wird durch einige Testimonials gestärkt: Özil kickt für Deutschland, die Klitschkos sind ein Duo, mit dem die Deutschen besonders gerne angeben und auch die Leichtathletin Anna Dogonadze hat einen Migrationshintergrund. Diese und noch viele andere Sportler fungieren als Integrationsbotschafter und zeigen jenen Menschen mit Migrationshintergrund, dass man es in diesem Land schaffen kann – ganz vorne dabei sein. Das ist die Message, die vor allem bei jugendlichen Migranten in unserem Land ankommt. Darum ist bei allen Integrationsplänen und Integrationsprogrammen, wie zum Beispiel dem ‚Nationalen Integrationsplan der Bundesregierung‘ oder dem ‚Aktionsplan Integration‘, der Sport ein wichtiges Element.

Integration in vollen Zügen

Sport wirkt als Integrationsmotor. Diese Funktion spricht ihm jedenfalls der ‚Nationale Integrationsplan der Bundesregierung‘ aus dem Jahr 2007 zu. Die Idee, Integration von Menschen mit Migrationshintergrund durch ihre Einbindung im Sport anzutreiben, wird hier detailliert aufgegriffen. Die Integration vollzieht sich folglich auf drei Ebenen: Auf der ersten Ebene ist die soziale Komponente von Bedeutung. Die soziale Integration umfasst die Kontaktaufnahme zwischen den Sportlern. Die Bekanntschaften, die im Fußball-Klub oder Schwimmverein um die Ecke geknüpft werden, sind das Einstiegstor der Integration. Diese sozialen Bindungen durch den Sport etabliert, finden ihre Entfaltung jedoch meistens darüber hinaus, zum Beispiel bei Mannschaftsfahrten oder Vereinstagen.

Auf der nächsten Ebene vollzieht sich die kulturelle Integration. Sport – auch als Kulturgut betrachtet – dient demnach als Ort, an dem Kulturtechniken vermittelt werden können, ob dies direkt auf dem Sportplatz geschieht oder später im Vereinshaus. Kommunikation findet in diesem Umfeld immer statt, dabei ist es irrelevant, ob über das eigene Können, das der Nationalmannschaft oder doch über ganz alltägliche Angelegenheiten diskutiert wird. Sport ist Smalltalk, der Verein ist Kommunikationsnetzwerk. Das Vereinsleben bietet den besten Ort, um interkulturell voneinander lernen zu können. Integration verläuft hier wörtlich: man bewegt sich aufeinander zu.

Die letzte Ebene ist die alltagspolitische Integration. Ein Sportverein besteht aus Strukturen, die sicherlich Ähnlichkeiten zu politischen Strukturen aufweisen. Der Vereinsvorsitzende wird demokratisch gewählt, über Veränderungen im Club wird heiß diskutiert. Der Verein lebt vom ehrenamtlichen Engagement seiner Mitglieder, genau wie die Politik vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger lebt. Der Sportverein fungiert als Schule der Demokratie. Es gibt feste Strukturen und Regeln, an die sich alle Mitglieder halten. Die Vermittlung dieses demokratischen Gedankens hilft entscheidend bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Ihnen wird durch den Sport und den Sportverein nahegelegt, wie das Verhalten in unserer Gesellschaftsstruktur aussieht. Es gibt idealerweise gleiche Regeln für alle, niemand wird bevormundet oder benachteiligt. Nur die eigene Leistung entscheidet darüber, ob man erfolgreich ist oder nicht. Diese ideale Vorstellung von Demokratie und Gesellschaft zeigt den Migranten, wie das Leben in der Bundesrepublik funktionieren sollte. Was in der kleinen Welt des Sportvereins meist leicht funktioniert – Fairness, Chancengleichheit und Partizipation – ist in der politischen Realität für Migranten oft ein hartes Business. Deshalb bietet der Sport Migranten ein Einfallstor, um den Weg in eine chancengleiche Gesellschaft zu beginnen.

Alle auf den Platz!

Das Beispiel der Integration durch den Sport zeigt, dass Integration nicht einseitig ablaufen kann, sondern ein Prozess des aufeinander Zugehens ist. Dies gelingt im Sport relativ leicht. Hier ist jeder auf die gute Leistung der anderen angewiesen. Man spielt im Team, es kommt nicht nur auf die gute Leistung der Migranten an, sondern auch auf den Erfolg der deutschen Spieler. Daher bietet der Sport ein hervorragendes Feld, um Integration lebendig und vor allem zweiseitig zu gestalten.

Ein Appell an politische Entscheidungsträger soll daher sein, dass Integration auf den Sportplätzen Deutschlands weiter ausgebaut wird. Vor allem im Sport kann der beidseitige integrative Prozess stattfinden. Integration durch Sport enthält weitreichende Potenziale, die auch im Hinblick auf gesundheitspolitische Aspekte nicht länger verschwendet werden können. Deutschland muss auf den Sportplatz, das fördert nicht nur die Integration, sondern auch die Gesundheit. Daher sind nicht nur deutsche und ausländische Kinder und Jugendliche, sondern auch freiwillige und ehrenamtliche Trainer und Betreuer dazu aufgerufen, sich im Sportverein zu engagieren. Denn das Sportwesen in unserem Land lebt ebenso wie der Staat an sich durch die Mitarbeit aller, ob deutsch, türkisch, russisch oder polnisch, ob Christ, Moslem oder Hindu, ob sportlich oder unsportlich.

Karina Hohl

studierte an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf Sozialwissenschaften und ist seit 2009 Studentin an der NRW School of Governance. Praktische Erfahrungen sammelte sie unter anderem im Landtag sowie in der Landeszentrale für Politische Bildung NRW. Während ihres Studiums hat sie sich auf Migrations- und Integrationspolitik spezialisiert.