die macht der fifa

Jeder Fußballinteressierte auf der Welt kennt die FIFA und ihren Präsidenten Joseph Blatter. Aber kaum jemand kennt die Strukturen des Verbandes und die Macht, die die FIFA auf Regierungen und Gesellschaften ausüben kann.

Eine kritische Auseinandersetzung von Frederic Hüttenhoff

Der Fußball-Weltverband FIFA zählt zu den mitglieder- und finanzstärksten Verbänden der Welt. Bekannt geworden als „Fédération Internationale de Football Association“ ist die FIFA jene Organisation, die Frauen- wie Männerfußballwettbewerbe plant und kontrolliert. Während sie durch ihre Entscheidungen zu den Austragungsländern einer Weltmeisterschaft direkt sowie indirekt die sozialpolitische und wirtschaftliche Situation eines Landes beeinflusst, verbittet sie sich jegliche Einmischung der Politik in Verbandsangelegenheiten – sei es bei der FIFA selbst oder bei den nationalen Fußballverbänden. Jüngstes Beispiel war die Entscheidung der französischen Regierung, den Präsidenten des französischen Fußballverbandes abzusetzen sowie Trainer und Spieler vor die Nationalversammlung zu berufen. Sie waren bei der WM in Südafrika bereits in der Gruppenphase ausgeschieden und hatten zusätzlich in aller Öffentlichkeit einen großen Streit ausgetragen. Daraufhin drohte die FIFA der französischen Regierung, sich nicht weiter in die Angelegenheiten des Sports einzumischen und behielt sich als Sanktion den Ausschluss aus der FIFA vor. Frankreich lenkte daraufhin ein und überließ die Regelung des Problems dem nationalen Fußballverband. Dieses Beispiel ist nur eines von vielen, das zeigt, dass die FIFA nicht nur die Macht über den Fußball besitzt, sondern teilweise auch über die Politik. Doch woher rührt ihre Macht und wie setzt die FIFA diese ein?

Die Anfänge und Organisation der FIFA

Gegründet wurde die FIFA am 23. Mai 1904 in Paris. Der Grund dafür war, dass Weltmeisterdie bis dahin existierenden 20 Fußballverbände an internationalen Spielen interessiert waren. Einheitliche Regeln, klare Zuständigkeiten und eine gemeinsame Organisation waren das erklärte Ziel. 1932 zog die FIFA von Paris nach Zürich und hat seitdem dort ihren Hauptsitz. Zurzeit sind in der FIFA 208 Mitglieder organisiert, wobei jeder Mitgliedsverband zusätzlich Mitglied in einem der sechs Kontinentalverbände in Europa, Asien, Lateinamerika, Nord- und Mittelamerika, Afrika oder Ozeanien sein muss. Dabei werden die nationalen Verbände finanziell und logistisch von der FIFA unterstützt. Wofür das Geld verwendet wird, bleibt jedoch den Verbänden überlassen. Die FIFA selbst besitzt mittlerweile ein beträchtliches Budget. Betrugen die Einnahmen durch Fernsehrechte 1998 bei der WM in Frankreich noch 147 Millionen Euro, waren es bei der WM in Deutschland 2006 bereits 1,1 Milliarden Euro. Ebenfalls steigen seit den 1970er Jahren die Einnahmen aus Sponsorengeldern.

Die FIFA verfügt über Statuten, nach denen sie handelt und die sie selbst als Verfassung bezeichnet. Sie beinhalten die Grundregeln für den Weltfußball und damit die Regeln für unzählige Wettbewerbs-, Transfer- und Dopingbestimmungen. Innerhalb der FIFA bilden der Kongress und das Exekutivkomitee die beiden wichtigsten Gremien. Der Kongress entscheidet über die Statuten, erstellt einen jährlichen Bericht, entscheidet über Neuaufnahmen und wählt den FIFA-Präsidenten. Alle Länder sind in ihm vertreten und bei Wahlen verfügt jeder Verband über eine Stimme. Der Präsident steht an der Spitze des Exekutivkomitees. Ihm gehören weiterhin acht Vizepräsidenten, 16 einfache Mitglieder sowie der Generalsekretär an, der als eine Art Geschäftsführer agiert. Die Mandatsdauer der Mitglieder beträgt vier Jahre. Das Exekutivkomitee legt die Termine, Spielorte und Formate der FIFA-Wettbewerbe fest und ist für die Ernennung sowie Abberufung des Generalsekretärs zuständig. Außerdem gibt es noch 35 ständige Ausschüsse, die sich mit der Organisation von Turnieren und der allgemeinen Entwicklung des Fußballs befassen. Dazu gehören beispielsweise der Dopingkontrollausschuss oder die Kommission für Klubfußball. Die von den Ausschüssen getroffenen Entscheidungen werden vom Exekutivkomitee ratifiziert. Die FIFA weist, wie man sieht, in ihrem Aufbau durchaus Ähnlichkeiten zu politischen Organisationen auf.

Direkter und Indirekter Einfluss auf Regierungen und Gesellschaften

Gerade diese Strukturen begründen das Handeln der FIFA, ohne dass sie den Einfluss von Regierungen fürchten muss. Im Gegenteil: Die Mitgliedschaft in der FIFA erbringt wichtige politische und gesellschaftliche Vorteile. Durch die Teilnahme an von der FIFA organisierten Turnieren oder Freundschaftsspielen kann die Völkerverständigung und Identitätsbildung, das so genannte „Nation-Building“, innerhalb von weniger entwickelten Ländern, etwa in Afrika oder von ‚politisch geschwächten‘ Nationen, stark gefördert werden. Das Auftreten der deutschen Fußballnationalmannschaft hat beispielsweise vielfach politische und gesellschaftliche Auswirkungen nach sich gezogen. So sagen nicht wenige, dass der Gewinn der Weltmeisterschaft von 1954 die eigentliche Gründung der neuen Bundesrepublik war und mancher Wissenschaftler sieht darin sogar den Start des deutschen Wirtschaftswunders. Bevor Konrad Adenauer im September 1955 zu den abschließenden Verhandlungen über die Rückkehr der letzten deutschen Kriegsgefangenen nach Moskau reiste, trug im August die deutsche Nationalmannschaft in Moskau gegen die Sowjetunion ein Freundschaftspiel aus. Nach einer 2:1 Führung für die Deutschen drehten die Russen noch das Spiel um und gewannen mit 3:2. Ob die Niederlage von der deutschen Nationalmannschaft mit Absicht errungen wurde, um die sowjetische Führung vor dem entscheidenden Treffen mit dem deutschen Kanzler milder zu stimmen, bleibt Gesprächsstoff für wilde Spekulationen.

Der Einfluss der von der FIFA getroffenen Entscheidungen nimmt für weniger entwickelte Länder noch größere Ausmaße an als für politisch und finanziell gefestigte Nationen. So kann mit einer Entscheidung für die Austragung einer WM in einem strukturell schwachen Land durchaus politischer und sozialer Druck ausgeübt werden. Aktuell hat sich in Südafrika gezeigt, dass auf den ersten Blick vor allem die Probleme des Landes stark in den Vordergrund gerückt wurden und viele Notleidende und Helfer zu Wort kamen, die sonst keine Lobby in der Politik haben. Inwieweit dabei aber wirklich eine Veränderung erzielt werden kann ist fraglich. Mehr als die Hoffnung, dass sich durch sportliche Großereignisse auch gesellschaftliche Veränderungen vollziehen, bleibt auch in Südafrika nicht. Die FIFA jedenfalls kann als alleiniges Auswahlgremium für den Austragungsort der Weltmeisterschaften indirekt über die Chance eines Landes auf gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufschwung mitentscheiden.

Nicht alles was glänzt ist Gold

Schon seit den 1970ern sieht sich die FIFA immer wieder Korruptionsvorwürfen ausgesetzt, die nie ganz ausgeräumt werden konnten. Um denen entgegenzuwirken gründete die FIFA 2005 eine eigene Ethik-Kommission, die gegen Betrug, Bestechung und Manipulation innerhalb der Organisation ermitteln soll. Pikanterweise dürfen aber keine Fälle untersucht werden, die vor 2006 stattgefunden haben. Durch diese Kommission wurde bis jetzt noch kein FIFA-Funktionär verurteilt. Letztlich ist Betrug innerhalb der FIFA nur schwer aufzudecken. Des Weiteren wird ihr oft vorgeworfen, dass sie mit Verbänden kooperiert, denen vielfach Diktatoren oder autoritäre Regime vorstehen. So etwa Argentinien, wo noch in den 1970er Jahren eine Militärdiktatur an der Macht war und trotzdem die Weltmeisterschaft 1978 ausgetragen wurde. Auch die Zusammenarbeit mit internationalen Unternehmen wird teilweise kritisch gesehen, weil sie aufgrund dieser Zusammenarbeit in Länder exportieren können, zu denen sie vorher keinen Zugang hatten und so einheimische Produzenten vom Markt verdrängen. Zuletzt war diese Praktik bei der WM in Südafrika zu sehen. Einheimische Händler, die Fußball-Artikel oder Snacks und Getränke in Stadionnähe verkaufen wollten, wurden rigoros verdrängt. Die einheimischen Fans sollten in den offiziellen Geschäften der FIFA ihre Artikel kaufen. Allerdings konnten sich viele in der Bevölkerung die Preise der offiziellen WM-Läden nicht leisten. Kritisiert wird an der FIFA auch die Monopolstellung im Weltfußball. Während andere Sportarten, etwa Boxen, oft über mehrere Weltverbände verfügen, gibt es im Fußball nur die FIFA. Auch sonst gibt es keine externen Kontrollgremien, die die Machenschaften des Verbandes kontrollieren und das Handeln transparenter machen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entscheidungen der FIFA indirekte und direkte Konsequenzen für das politische und gesellschaftliche System der Mitgliedernationen haben. Sie bildet den Rahmen, in dem Völkerverständigung und Identitätsbildung innerhalb eines Landes viel leichter durchführbar zu sein scheinen, als wenn dies durch die Politik geschieht. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die FIFA auch als eine Art Wirtschaftsunternehmen mit stetig steigenden Einnahmen agiert und neben dem Moralischen auch immer das Geschäftliche in jede Entscheidung fließt. Um der Kritik angemessen zu begegnen, müsste sich die FIFA transparenter präsentieren und ihr Handeln kritischer beäugen lassen. Ein guter Anfang wäre zum Beispiel die hauseigene Ethik-Kommission dezentral zu organisieren und auch Betrugsfälle vor 2006 untersuchen zu lassen. Solange jedoch der Fussball rund ist und ins Eckige geschossen wird, ist abzusehen, dass die FIFA eine Organisation mit weitreichenden Einflussmöglichkeiten bleibt, deren Autonomie wohl bis auf Weiteres gesichert ist.

Frederic Hüttenhoff

studiert den Masterstudiengang Politikmanagement an der NRW School of Governance. Zuvor absolvierte er den B.A. in Sozial-, Medien- und Kommunikationswissenschaften an der HHU Düsseldorf. Zurzeit ist er als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen tätig. Weitere praktische Erfahrungen sammelte er in den Bereichen der Unternehmenskommunikation und Public Affairs.