Grußwort

Was in unserer Gesellschaft hat eine solche Bindewirkung wie der Sport? Die Bedeutung des Sports für die Gesellschaft kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Deutlich wird der Stellenwert nicht nur im Blick auf die Zahlen, sondern auch im Blick auf das tägliche Leben in den Vereinen. Zahlen zeigen den quantitativen Rang des Sports: die Mitglieder der vielen 10.000 Vereine zählen nach Millionen. Das Leben im Verein zeigt den qualitativen Rang des Sports: hier treffen sich alle Altersklassen aus allen gesellschaftlichen Gruppen.

Aber die Bedeutung des Sports endet nicht bei den Vereinen und ihren aktiven Mitgliedern, sie reicht sehr viel weiter. Sportliche Wettbewerbe üben auf viele Menschen eine große Faszination aus. Beispielhaft deutlich wird dies an jedem Bundesliga-Wochenende.

Der Sport hat eine große, die Gesellschaft zusammenfassende Kraft. Die Bindewirkung zum Beispiel der Kirchen, Parteien und Gewerkschaften lässt mehr und mehr nach. Das ist zu bedauern – aber wir müssen es zunächst einmal sachlich feststellen. Übrigens: Auch die Medien haben die Bindewirkung, die sie früher hatten, heute nur in geringerem Maße. Weil der Sport so eine große Wirkung entfaltet, ist er auch unverzichtbar, wenn es darum geht, die Integration zu fördern. Für Menschen mit Migrationshintergrund kann die sportliche Betätigung in einem Verein auch ein guter Zugang zu unserer Gesellschaft sein. Der örtliche Verein zeigt es ebenso, wie die Fußballnationalmannschaft: der Sport trägt die Integration.

Wenn die Politik das Ziel hat, die Menschen einer Gesellschaft zusammenzuführen, dann muss sie dem Sport und dessen Förderung also besondere Aufmerksamkeit widmen. In Hessen und vielen anderen Ländern Deutschlands geschieht das. In Hessen hat der Sport sogar Verfassungsrang. „Der Sport genießt den Schutz und die Pflege des Staates, Gemeinden und Gemeindeverbände“, heißt es in Artikel 62a der Hessischen Landesverfassung. Dabei muss man wissen, dass unsere Verfassung nur in einer Volksabstimmung geändert werden kann. Mit der Einführung dieses Satzes in die Verfassung haben sich also die Bürgerinnen und Bürger Hessens ausdrücklich zum Sport bekannt.

Dafür hatten sie gute Gründe: Im Sport geht es darum, Werte und Tugenden zu vermitteln. Fairness, Loyalität, Bescheidenheit, Kameradschaft, Einsatz, Mut, Disziplin, Ausdauer, Verantwortung, Teamgeist, Mitmenschlichkeit, Toleranz, Respekt, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit – es gibt fast nichts, was man im Sport nicht lernen kann. Dabei gilt es festzuhalten, dass es nicht nur die großen Ereignisse sind, die die Menschen zusammenführen, nicht nur die Bundesliga-Wochenenden, nicht nur die Weltmeisterschaften, nicht nur die großen Sportereignisse, in welcher Sportart auch immer. Für die Gemeinschaft sorgen auch die vielen ganz normalen Vereine, die den Menschen die Chance geben, selbst Sport zu treiben. Beides ist wichtig: der Spitzensport, der die Zuschauer begeistert und der für viele Amateure jeden Alters das Vorbild ist, und der Amateursport, der diejenigen zusammenbringt, die selbst Sport treiben möchten. Breitensport und Spitzensport sind keine Gegensätze, sondern sie ergänzen sich. Ohne Breite keine Spitze und ohne Spitze keine Breite.

An dieser Stelle gilt es, eine Lanze für das Ehrenamt zu brechen. Der Sport lebt vom ehrenamtlichen Engagement, von der Bereitschaft, unentgeltlich für einen Verein zu arbeiten und dafür zu sorgen, dass andere Sport treiben können. Eine Politik für den Sport, wie sie die Hessische Landesregierung versteht, baut auf die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in den Vereinen. Die Ehrenamtlichen sind es, die dafür sorgen, dass die staatlichen Fördermittel und die Beiträge von Sponsoren sinnvoll eingesetzt werden. Dafür zu sorgen, dass ein Verein seinen Mitgliedern die Möglichkeit bietet, Sport treiben zu können, bedeutet viel Arbeit: Organisatorischer Aufwand von der Kassenführung bis zur Mitgliederversammlung und zur ordentlichen Aktenführung, aber vor allem auch emotionaler Aufwand. Neue Mitglieder sollen gewonnen werden, die bisherigen Mitglieder sollen betreut werden, die Angebote des Vereins sollen immer wieder durchdacht und neuen Entwicklungen angepasst werden. Besonders wichtig ist dabei die Arbeit für Kinder und Jugendliche. Indem Kindern erklärt wird, wie man eine bestimmte Sportart ausübt, wird ihnen noch viel mehr vermittelt als die sportliche Kompetenz. Ihre gesamte persönliche Entwicklung wird damit gefördert. Alles das kostet viel Zeit und Leistungskraft, wer dies aufbringt, verdient Anerkennung und Respekt.

Wie jetzt deutlich geworden ist, hat das Thema „Sport und Politik“ viele Facetten. Wenn die Politik den Sport unterstützt, dann unterstützt sie gleichzeitig andere wichtige Bereiche. So werden Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen gefördert, der Zusammenhalt der Gesellschaft wird gestärkt und der Vereinzelung wird entgegengewirkt. Sportpolitik ist damit zum Beispiel auch Sozialpolitik und Gesundheitspolitik. Wer in der Politik Verantwortung trägt, an welcher Stelle auch immer, muss die Tatsache im Blick behalten, dass die Bereiche ineinander greifen und dass Veränderungen in dem einen Bereich Auswirkungen auf die anderen Bereiche haben. Im vernetzten System einer modernen Gesellschaft führen viele Fäden zum Knotenpunkt des Sports.

Volker Bouffier

Hessischer Ministerpräsident