die tea-party – aufstieg einer verloren geglaubten weltanschauung

Die Tea Party Bewegung in den USA ist mithilfe medialer Unterstützung zu einer bedeutsamen politischen Macht aufgestiegen. Am rechten Rand des politischen Spektrums hat sie sich positioniert und erreicht Wähler aus allen sozialen Schichten. Doch was macht diese Bewegung so attraktiv? Welche Anschauungen vertritt sie? Und welche Bedeutung wird die Tea Party längerfristig haben? von Frank Rosenbrock

Mit der „Tea Party“ ist in den USA eine Bewegung am rechten Rand der Republikanischen Partei entstanden, die inzwischen eine ernstzunehmende Macht im konservativen Lager Amerikas darstellt. Mediale Unterstützung erhält die Tea Party vom TV-Sender Fox News. Dessen berühmtester Kommentator, Glenn Beck, verbreitet dort regelmäßig seine politischen Anschauungen von der Welt und dem „wahren“ Amerika. Beispielhaft für Becks Weltbild ist dessen Reaktion auf ein Ereignis vom 30. September 2010. Ausgangspunkt war ein brennendes Haus, dessen Löschung die Feuerwehr verweigerte, da der Besitzer seine Gebühren nicht bezahlt hatte. Erst als das Nachbarhaus in Gefahr geriet, vom Feuer erfasst zu werden, rückte die Löschmannschaft an. Der Besitzer des niedergebrannten Hauses war entsetzt und stand vor dem Ruin. Beck nutzte die Situation, um seine Vorstellung von einem freiheitlichen Amerika zum Ausdruck zu bringen: „Wir müssen Schmarotzern und Trittbrettfahrern eine Lektion erteilen“, wütete er in seiner Sendung und unterstellte dem Besitzer, dass er die Zahlungen in der Annahme unterließ, ihm werde ohnehin geholfen. „Wer seine Gebühren nicht bezahlt, muss die Konsequenzen tragen“, so Beck weiter. Diese Auffassung, die sich in Glenn Becks Idee von einer freien Gesellschaft offenbart, ist der unbeirrte Glaube an einen radikalen Individualismus – und genau dieser Individualismus bildet die gemeinsame Wertebasis der Tea Party Anhänger.

Neben den „Schmarotzern und Trittbrettfahrern“ haben Glenn Beck und die Tea Party Getreuen noch einen weiteren Feind ausgemacht, der sie in ihren Ansichten eint: den Sozialismus. Vor diesem warnt Beck seine Zuschauer in beständiger Regelmäßigkeit. Seinen Worten nach sind die USA von einer Staatenwelt umzingelt, deren Regierungen sich aus Kommunisten und islamischen Fundamentalisten zusammensetzen. Doch noch viel schlimmer als von freiheitsfeindlichen Staaten umringt zu sein, ist nach Beck der Umstand, dass das eigene Land von einem solchen regiert wird. Barack Obama wird freimütig in die Schublade von Kommunisten und Nationalsozialisten gesteckt. So lässt sich erklären, warum auf Demonstrationen Plakate auftauchen, auf denen Obama mit Hitler und Lenin verglichen wird. Der Feind hat also die Führung im eigenen Land übernommen und befindet sich auf dem Weg, den Sozialismus in den Vereinigten Staaten einzuführen. Das 800 Milliarden schwere Rettungspaket für die Banken, die Steuererhöhungen sowie die Krankenversicherungsreform liefern Beck und der Tea Party den Beweis.

Viele werfen der Tea Party vor, eine rein ideologische Bewegung zu sein, ohne haltbare wissenschaftliche Basis. Doch auch hier ist Glenn Beck zur Stelle. Wiederholt reckt er in seiner Sendung ein Buch in die Höhe, in dem er seine Thesen wissenschaftlich untermauert sieht. Gemeint ist „Der Weg zur Knechtschaft“ von 1944, verfasst vom österreichischen Ökonomen Friedrich August von Hayek – ein Buch, welches neben der amerikanischen Verfassung die zweite Bibel der Tea Party Leute darstellt und im Juni 2010 in der Amazon-Bestsellerliste den ersten Platz eroberte. In diesem Buch, so Beck, bekommt man belegt, warum ein ausgedehnter Sozialstaat auf direktem Wege in den Sozialismus führt. Von Hayek selbst war ein Ökonom, der der österreichischen Schule der Nationalökonomie angehörte und zu den größten Intellektuellen der Nachkriegsgeschichte zählt. Die sogenannten „Austrian Economics“, zu denen er gehörte, vertraten einen marktradikalen Liberalismus und bilden damit eine passgenaue geistige Grundlage für Beck und seine Gefährten.

Von Hayek war der Überzeugung, dass eine Wirtschaft, die auf einem freien Markt basiert, einem geplanten Wirtschaftssystem zwangsläufig überlegen sein muss. Ursache, so von Hayek, ist, dass die Präferenzen der Menschen stets subjektiver Natur sind und damit von keiner Zentralinstanz effektiv zu erfassen sind. Nur dem Markt gelingt es, die individuellen Präferenzen der Marktteilnehmer effizient zu verarbeiten, indem er deren Präferenzen mittels Preisbildung objektiviert. Indem jeder Bürger die Chance ergreifen kann, Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage zu erkennen und zu nutzen, erwächst ein effizientes System. Dass dies folgerichtig auch Verlierer produziert, sieht von Hayek positiv, denn nur so werden die Menschen gezwungen ihr Verhalten anzupassen, beispielsweise härter zu arbeiten. Das Scheitern ist demnach ein Antrieb, die eigenen Entscheidungen zu überdenken und es neu zu versuchen.

Dies, so von Hayek, ist erforderlich, um das „geistige Wachstum einer Gemeinschaft“ zu garantieren. Eingriffe des Staates, zum Beispiel durch Transferleistungen, sind zu unterlassen, da sie die Entwicklung einer Gesellschaft verhindern. Damit nimmt er nicht nur die totalitären Regime des Kommunismus und des Nationalsozialismus

unter Beschuss, sondern auch die keynesianische Wirtschaftspolitik. Seine Skepsis gegenüber staatlichen Steuerungsversuchen ist, dass eine Zunahme an Eingriffen immer weitere Eingriffe zur Korrektur nötig macht. Die Eigeninitiative wird durch Sozialleistungen unterdrückt und resultiert in einer Dynamik der Interventionsspirale, die letztlich unausweichlich in eine sozialistische Gesellschaft führt.

Die Deutungsmacht marktradikaler Thesen, wie sie von Hayek formuliert und von der Tea Party proklamiert wird, ist seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 stark zurückgegangen. Es wird heute kaum noch bestritten, dass staatliche Eingriffe nicht nur zum sozialen Ausgleich nötig sind, sondern auch effizienzfördernd sein können. Absurd ist zudem von Hayeks Sozialismus-These. So ist es infolge keynesianischer Wirtschaftspolitik in keinem westeuropäischen Staat zur Einsetzung eines

sozialistischen Regimes gekommen. Doch welche Schlüsse lassen sich daraus für die zukünftige Schlagkraft der Bewegung ziehen? Ist davon auszugehen, dass die Stärke der Tea Party eine Folge der Finanzkrise und des Anstiegs der Arbeitslosigkeit in den USA ist – wie von vielen Seiten behauptet wird – und damit im Zuge einer wirtschaftlichen Erholung an Anziehungskraft verlieren wird? Hier sind Zweifel angebracht. Denn der radikale Individualismus der Tea Party knüpft nicht nur an die Entstehungsgeschichte der USA und damit an das Selbstverständnis vieler amerikanischer Bürger an, sondern stellt zugleich einen Kompass bereit, der dem täglichen Handeln einen Sinn verleiht. In Zeiten massiver Komplexitätssteigerungen, mit dem Resultat zunehmender Orientierungslosigkeit, ist dies ein hohes Gut. Wirtschaftlicher Aufschwung allein wird daher nicht genügen, um Beck und die Tea Party von der politischen Bühne zu verdrängen.

Frank Rosenbrock ist seit Oktober 2009 Masterstudent an der NRW School of Governance der Universität Duisburg- Essen. Er absolvierte Praktika im Bereich des Journalismus und bei der SPD im Landtag NRW. Im Jahr 2009 bestritt er ein Auslandssemester in den USA. Sein Studieninteresse gilt dem Prozess der Individualisierung im Kontext von Entwicklungen zur Wissensgesellschaft bzw. Wissensökonomie.