wirtschaft und ethik

„Der gute Ruf von ‚Made in Germany‘ resultiert nicht nur aus der hohen Produktqualität, sondern auch aus dem anständigen und ehrbaren Verhalten der deutschen Unternehmen.“ So lautet das Urteil von Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt auf den eigens eingerichteten Informationsseiten zum CSR-Engagement der vier Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft. Doch was bewegt die Unternehmen dazu, sich „anständig“ und „ehrbar“ zu verhalten? Warum unternehmerische Ethik mehr darstellt als moralischer Ballast und weshalb wir bei aller angebrachten Skepsis gut beraten sind, ökologische und soziale Eigeninitiativen der Unternehmen zu fördern.

In den Nachrichten ist regelmäßig von Massenentlassungen zu hören, die der Gewinnmaximierung börsennotierter Großkonzerne dienen. Manager erhalten horrende Gehälter und überzogene Boni. Prominente Unternehmen sind in Korruptionsskandale verwickelt oder werden der Bilanzfälschung überführt. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst zunehmend. All diese Faktoren lassen das Vertrauen in unsere Wirtschaftsordnung erodieren. Bereits seit Jahren, so beweisen regelmäßige Meinungsumfragen, verliert unser Wirtschaftssystem an Zuspruch. Gleichzeitig – das zeigen die Ergebnisse auch – wird den Bürgern die nachhaltige Gestaltung aller Lebensbereiche immer wichtiger.

Wirtschaft funktioniert nicht ohne Ethik

Was liegt aus Sicht der Unternehmen also näher, als diese Grundstimmung aufzugreifen und sich zunutze zu machen. Folgerichtig wird immer mehr in soziale und ökologische Projekte investiert. Dabei zeigen sich die Unternehmen höchst erfinderisch: Längst geht das Engagement über das simple Trikotsponsoring des heimischen Fußballvereins, die lokale Kulturförderung oder die Umstellung auf ressourcenschonende und emissionsarme Produktionsprozesse hinaus. Mal restaurieren die Mitarbeiter während der Arbeitszeit Kinderspielplätze. Ein andermal werden Dienstleistungen oder Räumlichkeiten für soziale und ökologische Initiativen kostenlos zur Verfügung gestellt.
Um derartige Maßnahmen zu konzipieren, zu organisieren und auch zu bewerben, beschäftigt mittlerweile jedes größere Unternehmen eigene CSR-Manager oder unterhält gleich ganze CSR-Abteilungen. CSR steht für Corporate Social Responsibility. Es umschreibt den freiwilligen Beitrag der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung, der über die gesetzlichen Forderungen hinausgeht. Laut einer Erhebung des Forschungszentrums für Bürgerschaftliches Engagement sind 96 Prozent der Unternehmen freiwillig gesellschaftlich engagiert. Die Engagementbereitschaft durchzieht dabei sämtliche Branchen und Größenklassen von Unternehmen.
Selbstverständlich halten die Unternehmen mit ihrem Engagement nicht lange hinter dem Berg. Große weltweit agierende Unternehmen wie Bayer, Deutsche Bank, Siemens oder VW legen in ihrer Außendarstellung erheblichen Wert darauf, sich als verantwortungsbewusste und gemeinwohlorientierte Corporate Citizen darzustellen, die nicht bloß den Quartalsgewinn, sondern genauso die Nachhaltigkeit ihres unternehmerischen Handelns im Blick haben.

Making Money by Doing Good

Die Ansicht, soziale Verantwortung koste viel Geld und bringe wenig Gewinn, gilt als überholt. Ein „gutes“ Unternehmen setzt nicht mehr nur auf seinen wirtschaftlichen Erfolg. Es ist sich ebenso der moralischen Verantwortung für sein Tun bewusst. Das Credo lautet: „making money by doing good“. In dieser Betrachtungsweise liegt die Chance, moralische und wirtschaftliche Zwecke zu verbinden. CSR-Inititiativen werden als ökonomisch sinnvolle Investitionen aufgefasst, die nachhaltiges Wachstum, Wettbewerbsvorteile und höhere Reputation versprechen. Aktionäre, Mitarbeiter, Konsumenten und andere Stakeholder honorieren diese unternehmensethischen Aktivitäten immer stärker.
Skeptiker hingegen kritisieren eine derartige Instrumentalisierung der Ethik und ihre Unterwerfung unter ökonomische Zwecke. Unternehmen, die sich lediglich den gesellschaftlich erwünschten Verhaltensstandards anpassten, seien wenig glaubwürdig. Moral, die aus ökonomischen Gründen befolgt werde, sei keine Moral.
Weitere kritische Stimmen werfen ein, dass das unternehmerische Engagement eine Art modernen Ablasshandel darstelle, der dazu diene, die schmutzigen Geschäfte der Unternehmen zu relativieren und aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verdrängen. Zudem seien die Grenzen zwischen CSR-Initiativen und Greenwashing oftmals fließend.

Ethik funktioniert nicht ohne Wirtschaftlichkeit

Unternehmen dürfen aus Sicht der Kritiker also einerseits soziale und ökologische Verantwortung nicht aus dem übergeordneten Motiv heraus übernehmen, Gewinn zu erzielen, sie sollen aber andererseits auch nicht ausschließlich ökonomische Ziele im Blick haben und diese auf Kosten Dritter um jeden Preis verfolgen. Was also noch übrig bleibt, ist ein wirtschaftlicher Betrieb, der ökonomische Kriterien zugunsten der Moral vernachlässigt. Doch wem nützt ein Unternehmen, das sozial und ökologisch vorbildlich agiert, ohne auf seinen Gewinn zu schielen? Niemandem. Denn ein solches Unternehmen würde unter den Bedingungen der Marktwirtschaft – auch wenn sie sich soziale Marktwirtschaft nennt – sehr schnell vom Markt verschwinden, da sich einseitiges moralisches Handeln und individuelle Selbstbindungen nicht auf Anhieb auszahlen, sondern zunächst einen Verzicht auf Gewinn und somit eine Schlechterstellung im Vergleich zur Konkurrenz darstellen. Die dauerhafte Inkaufnahme eines Wettbewerbsnachteils würde das Unternehmen langfristig aus dem Markt drängen. Womit ausgerechnet der moralische Vorreiter abgestraft werden würde.
Folgerichtig dürfen soziale und ökonomische Verantwortung nicht als eindimensionaler Trade-off aufgefasst werden, im Sinne von Gegensätzen, die gegeneinander abzuwägen sind. Vielmehr bietet gerade das Zusammendenken beider Aspekte ein Win-win-Potential. Denn durch die Förderung sozialer und ökologischer Projekte bauen die Unternehmen Vermögenswerte wie Integrität und Glaubwürdigkeit auf. Sowohl die Umweltsituation und das Sozialgefüge als auch die ökonomische Bilanz des Unternehmens erfahren eine Aufwertung. Indem auf eine kurzfristige Gewinnerzielung zulasten von Mensch und Natur verzichtet wird, steigern die Unternehmen langfristig ihre finanzielle Performance, senken ihre Kosten, bauen eine positive Reputation auf, vermeiden Risiken und öffnen sich für Produkt- und Prozessinnovationen. Folglich weist eine solche Verbindung der vermeintlichen Gegensätze nicht nur einen Ausweg aus dem klassischen Dilemma „Ökologie vs. Ökonomie“, sie bietet ebenso ein enormes Potential sowohl für den wirtschaftlichen Erfolg als auch für eine sozial-ökologische Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Verantwortung als Leitmotiv der Unternehmenskultur einfordern

Selbstverständlich entlastet ein solches unternehmensethisches Konzept Politik und Bürger nicht von ihrer Verantwortung, eine soziale und nachhaltige Gesellschaft zu fordern und zu fördern. Ebenso sollten reine Marketingmaßnahmen von Unternehmen wie Greenwashing-Kampagnen nicht blauäugig und ungefragt akzeptiert werden. An dieser Stelle sind kritische Konsumenten sowie ein aufklärender und investigativer Journalismus gefragt. Aber auch die Zertifizierung von CSR-Instrumenten wie Nachhaltigkeitsberichten ist erforderlich. Denn solche Maßnahmen der gegenseitigen Kontrolle helfen dabei, schwarze Schafe zu entlarven.
Mit der Tragfähigkeit eines derartigen Systems der Responsivität und gegenseitigen Kontrolle besteht die ernsthafte Chance, dass sich die gesellschaftliche Verantwortung als selbstverständlicher Teil der Unternehmenskultur etabliert. In diesem Fall könnten wir auch BDA-Präsident Prof. Dr. Hundt in seinem Urteil vorbehaltlos zustimmen. Denn auch wir wünschen uns anständige und ehrbare Unternehmen.