„die grünen haben auch christliche wurzeln“

Sylvia Löhrmann, stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, im Interview über politische Handlungsrichtlinien, ethische Grenzen der Transparenz und die nordrhein-westfälische Bildungspolitik.

Die Fragen stellten Janina Latzke und Anna von Spiczak

Frau Löhrmann, Politik und Ethik geht das überhaupt zusammen?

Ja sicher, als Politikerin habe ich ethische Ziele und an denen muss ich mich und mein Handeln messen lassen. Aber natürlich ist zu berücksichtigen, dass Politik in einem Rahmen stattfindet – mit vielen Facetten und Eckpunkten. Politik ist die Kunst des Möglichen. Sie brauchen Mehrheiten, um Ihre Ziele zu erreichen. Wenn Sie die Mehrheit nicht haben, müssen Sie in der Lage sein, Kompromisse zu schließen. Zum Beispiel so, wie wir das in Nordrhein-Westfalen jetzt mit dem Schulkonsens zwischen CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen getan haben.

Auf welchen Wertemaßstäben basierend treffen Sie Entscheidungen?

Für mich ist die Frage der Zukunftsfähigkeit ganz wichtig: Welche Entscheidungen, die wir heute treffen, haben welchen Einfluss auf die Zukunft? Die Gemeinwohlorientierung muss aus meiner Sicht eine große Rolle spielen. Ich finde, dass auch bei der Gesetzgebung der Kategorische Imperativ eine gute Entscheidungshilfe ist. Das heißt, dass ich die Grenzen meines Handelns danach bemesse, was ich anderen zumute und was ich auch möchte, das andere bei mir respektieren. „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu“. Folgt man diesem Grundsatz, kommt man eigentlich relativ weit: In der Politik zum Beispiel bei der Frage des Nichtraucherschutzes oder auch im täglichen Leben.

Gibt es Situationen, in denen Sie über Ihre ethische Hürde springen müssen? Ist es im heutigen Politikbetrieb notwendig in dieser Hinsicht flexibel zu sein? Gerade in einer Minderheitsregierung…

Das macht jetzt für mich keinen Unterschied, ob ich in einer Mehrheitsregierung, in der Opposition oder wie jetzt in der Minderheitsregierung bin. Wir haben einen sehr klaren Zukunftsplan und einen sehr guten Koalitionsvertrag, in dem ich mich als Grüne sehr gut wiederfinde. Diesen Koalitionsvertrag arbeiten wir systematisch ab, und ich bin bisher nicht an die Grenzen dessen gestoßen, was ich für ethisch-moralisch verantwortbar halte. Im Gegenteil, wir kommen ganz schön voran.

Gibt es einen Ethikwächter in unserer Gesellschaft und wenn ja, wer ist das? Die Kirche, der Staat oder eine andere Institution?

Nein, aus meiner Sicht gibt es das nicht. Für mich sind „Ethikwächter“ Relikte einer veralteten Vorstellung von Politik. Selbstverständlich äußert sich die Kirche zu vielen Themen, und diese Äußerungen sind es auch wert, gehört zu werden. Aber wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft – und das finde ich auch gut. Unsere Bezugsgröße ist das Gemeinwohl – heute und auch morgen. Deswegen ist für mich als Grüne auch der Schutz von Natur und Umwelt so wichtig. Daraus leiten sich dann bestimmte Politikziele ab, auf deren Umsetzung wir konsequent hinarbeiten.

Wenn es um Ethik in der Politik geht, stellt sich oft die Frage von transparenten Entscheidungen. Wo ist die Grenze zwischen Informalität und Transparenz gegenüber dem Bürger?

Das ist eine wichtige Frage. Ich glaube, hier zählt die Balance. Entscheidungen müssen nachvollziehbar sein. Aber Politik braucht auch geschützte Räume, in denen Vertrauen geschaffen werden kann. Dafür gibt es in meinem Verantwortungsbereich ein ganz aktuelles Beispiel: Auf der Bildungskonferenz haben alle Organisationen, die mit Schule zu tun haben, offen miteinander diskutiert. Wir haben alles Besprochene immer für die gesamte Gruppe transparent gemacht. Aber trotzdem war die Bildungskonferenz ein nichtöffentlicher Raum. Dieser geschützte Raum war notwendig, um einen guten Konsens finden zu können. Aufgrund dieser Ausgangslage war es dann auch möglich, den Schulkonsens mit der CDU zu schließen, der ebenfalls in vertraulichen Gesprächen vorbereitet wurde. Das alles wäre nicht möglich gewesen, wenn wir jeden Zwischenschritt immer gleich öffentlich gemacht hätten. Insofern brauchen wir die Möglichkeit, vertrauensbildend Dinge auszuloten. Das ändert aber nichts an der Rechenschaftspflicht der Politik gegenüber der Öffentlichkeit. Jede Partei kann und muss erläutern und transparent machen, warum es zu diesem Ergebnis gekommen ist. Zusammenfassend lässt sich sagen: Transparenz ja, aber nicht immer in Echtzeit.

Wie beurteilen Sie den Fall „WikiLeaks“, bei dem ein Informant mit seinen Kenntnissen geheime Informationen an die Öffentlichkeit getragen hat? Dadurch hat die Öffentlichkeit ja schon einen Mehrwert, oder?

Ja, aber das Verhältnis von Ursache und Wirkung kann hier leicht außer Kontrolle geraten. Wer interne Informationen öffentlich machen will, muss wissen, dass die Gefahr des Missbrauchs besteht. Wer übernimmt dafür die Verantwortung? In der Außenpolitik kann das gravierende, unabsehbare Folgen haben. Durch die Veröffentlichung von gesammelten Informationen über hohe Repräsentanten eines Staates zum Beispiel kann der Friedensprozess im Nahen Osten gestört werden. Da können ethische Grenzen überschritten werden, vor allem dann, wenn Menschen in Lebensgefahr gebracht werden. Was richtig und was falsch ist, stellt sich auf längere Sicht manchmal etwas anders dar. Da finde ich, sollte die Öffentlichkeit und sollte die Gesellschaft der Politik auch mal ohne wenn und aber einen Vertrauensvorschuss geben. Aber es ist völlig klar, dass sich die Politik gegenüber den Menschen verantworten muss.

Sind Sie dafür, dass der Fraktionszwang abgeschafft wird? Ist er notwendig?

Die Rechtslage ist eindeutig: Die Abgeordneten sind ihrem Gewissen verpflichtet. Aber Abgeordnete sind eben auch Teil einer Fraktionsgemeinschaft. Abgeordnete sind für eine Partei angetreten mit deren Zielen. Und Abgeordnete müssen sich natürlich auch immer fragen, ob die Handlungsfähigkeit einer von ihnen getragenen Regierung gegeben ist oder nicht. Allerdings sage ich auch: Bei Gewissensentscheidungen gibt es keinen Fraktionszwang. Ansonsten würde ich selbst nie von Fraktionszwang sprechen. Hier ist Führungskunst gefragt: Man muss Ergebnisse sichern, die breit getragen werden und die in einem fairen Austausch und einem demokratischen Prozess zu Stande gekommen sind. Dann ergibt sich die Bindungswirkung von Entscheidungsprozessen, beziehungsweise sie ist dann umso größer. Und auch hier hilft der Kategorische Imperativ.

Es gibt eine ethische Handlungslinie, die sich am christlichen Glauben orientiert. Welche ethische Handlungslinie verfolgen die Grünen?

Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist für uns Grüne eine ganz wichtige Grundlage. Und als Partei mit christlichen Wurzeln ist die „Bewahrung der Schöpfung“ ein Thema, das uns ganz stark prägt. Wir stehen aber auch für Verfassungspatriotismus, für die Grundrechte und für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Bei den Grünen gibt es also eine Vielzahl von Strängen, die sich zu einem Grundsatzprogramm entwickelt haben, in dem bestimmte Prinzipien sehr stark ausgeprägt sind. Da ist eine breit gefasste soziale Gerechtigkeit, einschließlich Geschlechtergerechtigkeit, Generationengerechtigkeit und Zugangsgerechtigkeit zu Bildung und Arbeit. Da ist der Schutzgedanke gegenüber der Umwelt und da ist auch eine ganz starke „Eine-Welt-Komponente“. Da gibt es große Schnittmengen mit christlichen Werten.

Im Hinblick auf umstrittene Aktionen von Umweltschützern: Wo ist die Grenze – kann man etwas Unethisches tun, um etwas Ethisches zu erreichen?

Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Ich finde es richtig, dass Protestaktionen gemacht werden, aber es gibt klare Spielregeln, die müssen eingehalten werden. Die Grenze ist aus meiner Sicht die Gewaltanwendung. Eine solche Grenze darf nicht überschritten werden – und Gewalt ist auch nicht im Interesse der Protestierenden, da sie fast immer den Protest diskreditiert. Aber dass Greenpeace-Aktivisten zum Beispiel Schornsteine von Kraftwerken hochklettern und eine Fahne hissen, dabei aber niemanden schädigen, das finde ich in Ordnung. Das ist ziviler Ungehorsam.

Welche Rolle haben ethische Maßstäbe in Bezug auf die Abschaffung der Kernenergie?

Da spielen ethische Maßstäbe eine ganz große Rolle. Nämlich die Frage, ob ich mir anmaße, mit Mitteln in Grundlagen der Erde, der Natur und der Schöpfung einzugreifen, die nicht beherrschbar sind. Der Mensch sollte nichts tun, bei dem er die Konsequenzen weder überschauen noch beherrschen kann. Einstein hat gesagt, dass er die Atomspaltung nie erfunden hätte, wenn er gewusst hätte, was die Menschen damit anrichten. Wenn wir daran denken, welche Mengen Atommüll schon angesammelt wurden, die Jahrtausende strahlen werden, dann wurde hier eine – aus meiner Sicht auch ethische – Grenze überschritten.

War es richtig nach Fukushima eine Ethikkommission einzusetzen?

Aus meiner Sicht wäre die Ethikkommission gar nicht nötig gewesen, wenn wir schon viel früher aus der Atomkraft ausgestiegen wären. Aber sie hat der Bundesregierung vielleicht geholfen umzukehren. Insofern hat sie nicht geschadet.

Die Zusammensetzung wurde auch speziell von den Grünen sehr kritisiert. Kann diese Ethikkommission überhaupt objektiv bestimmen was Ethik ist?

Nein, natürlich nicht. Es war zu erkennen, dass einzelne Akteure ihren wirtschaftlichen Interessen verhaftet waren. Das muss man wissen, damit man die Beiträge politisch einordnen kann. Andererseits ist Klaus Töpfer immer jemand, der sehr überzeugend für die richtige Sache mitstreitet und dessen Wort Gewicht hat. Im Ergebnis konnte sich die Regierung – aus welchen Motiven auch immer – nicht entziehen, sodass die Laufzeitverlängerung wieder zurück genommen worden ist.

Welche Bedeutung hat die fast auf allen Ebenen des Staates praktizierte „Politik auf Pump“ für die kommenden Generationen? Ist diese Handlungsweise ethisch, wenn man bedenkt, dass nachfolgende Generationen diese Last abtragen müssen?

Die Frage von Verschuldung ist nicht eindimensional zu beantworten. Es ist ein Unterschied, ob ich mich sinnlos verschulde oder ob ich Geld in Dinge investiere, die mittelfristig Wirkung entfalten und dann positiv wirken. Geld, das in die frühkindliche Bildung investiert wird, trägt unter anderem dazu bei, dass Kinder und Jugendliche auch in der Schule besser zurechtkommen. Gezielte Unterstützung in der Schule führt zu guter Lern- und Leistungsentwicklung, weniger Sitzenbleiben und besseren Abschlüssen. Das sind sinnvolle Investitionen, die sich auszahlen. Gute Kinderbetreuung führt auch dazu, dass Frauen im Beruf bleiben können und zur Wertschöpfung beitragen. Außerdem geht es beim Thema Verschuldung nicht nur um den nächsten Haushalt, es geht um mittelfristige Investitionen und entsprechende Renditen. Wir wissen auch, dass es sehr teuer für uns wird, wenn wir nichts in Sachen Klimaschutz tun. Wir müssen unsere Wirtschaft umsteuern. Es ist richtig, Gebäude energetisch zu sanieren, auch wenn ich erst einmal Geld dafür in die Hand nehmen muss. Langfristig habe ich einen „Win-win-Effekt“, weil weniger Strom verbraucht wird, weil Arbeitsplätze entstehen und weil ich das Klima schütze. Investitionen müssen sich langfristig für die gesamte Gesellschaft rentieren.

Und wie kann das mit der Schuldenbremse in Einklang gebracht werden?

Die Schuldenbremse ist für die Länder bis 2020 verpflichtend. Es gibt den Vorschlag, diese für Nordrhein-Westfalen in einer Kommission auszuloten, damit eine Schuldenbremse keine völlige Handlungsunfähigkeit des Staates auslöst. Denn das Land mit seinen Personalkosten für Schule, Hochschule, Polizei, Finanzen hat eine Haushaltsstruktur, die aus eigener Kraft unter den jetzigen Bedingungen gar nicht saniert werden kann. Insofern streut man den Menschen Sand in die Augen. Wir müssen eine realistische Perspektive finden. Aus meiner Sicht muss man, um zu einer Entschuldung zu kommen, auch die Einnahmesituation des Staates verbessern. Der Staat steht für eine Fülle von Aufgaben, die er mit den Einnahmen, die er im Moment hat, nicht leisten kann. Was mich an der Verschuldung natürlich ärgert – und ich glaube auch jeden ärgert – ist, dass vor allem die Banken profitieren. Die Politik wird durch die Schulden und Zinsen stranguliert. Es ist ein echtes Dilemma.

Von der Finanzpolitik zu einem weiteren Kernthema der Länder – Bildungspolitik. Ihr gelernter Beruf ist Lehrerin. Wie kann man heutzutage Schülern Ethik vermitteln? Brauchen wir dazu Ethikunterricht an Schulen?

Wir brauchen Wertevermittlung. Es ist sehr wichtig, dass Schülerinnen und Schüler anhand von geschichtlichen Beispielen und auch persönlichen Erfahrungen aus ihrer Umwelt, Eigenverantwortung übernehmen und das soziale Miteinander früh erlernen. Eine Klasse ist ja auch eine soziale Gemeinschaft. Darum ist es auch so wichtig, dass sich Klassen Regeln geben und dass Schulen eine Art kleines „Grundgesetz“ haben. Durch dieses praktische Miteinander lernen Kinder, sich gegenseitig zu respektieren. Darüber hinaus kann ich im Unterricht durch Planspiele die Folgen von Entscheidungen diskutieren und auch abwägen. Insofern finde ich es wichtig, dass Jugendliche in Schulen innerhalb und außerhalb des Unterrichts lernen, die Folgen ihres Handelns zu erkennen und abzuwägen. So können sie durch das Treffen von Entscheidungen lernen, Verantwortung zu übernehmen. Das gehört heute für mich zur Schule dazu.

Durch unterschiedliche Bildungssysteme in den deutschen Ländern kommt es häufig zu Problemen. Wäre es nicht effizienter, Bildung zentraler, also auf Bundesebene zu organisieren?

Bildungspolitik muss auf allen staatlichen Ebenen gemacht werden. Ich plädiere für eine Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Gemeinden für gute Bildung. Ich werbe dafür, dass das Kooperationsverbot in der Bildung aufgehoben wird, denn es hat sich nicht bewährt. Der Bund sollte sich an den erforderlichen Investitionen, zum Beispiel für den Ganztagsausbau und Aufbau eines inklusiven Schulsystems beteiligen. Es geht aber nicht nur ums Geld. Wir brauchen bundesweit verbindliche Bildungsstandards und die haben wir ja auch schon, zum Beispiel für den Hauptschulabschluss und den Mittleren Schulabschluss. Diese liegen den zentralen Prüfungen aller Länder zu Grunde. Die Kultusministerkonferenz lässt zurzeit auch Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife entwickeln. Das heißt nicht, dass überall die gleiche Abiturklausur geschrieben wird – wir brauchen kein bundesweites Zentralabitur. Wichtig ist, dass die Länder diese bundesweiten Bildungsstandards für das Abitur als Ausgangspunkt für ihre Lehrpläne und Prüfungen nehmen, sodass die Schulsysteme und Abschlüsse gleichwertig sind und es keine Probleme gibt, wenn Familien umziehen. Das muss noch verlässlicher und erkennbarer für die Eltern werden.

Immer wieder tauchen politische Skandale auf, worüber sich die Medien und sicherlich auch die politischen Gegner freuen. Wo kann man bei Politikern die Grenze zum Privatleben ziehen? Haben sie zu Recht eine andere Vorbildfunktion als andere Prominente?

Ich finde, Politikerinnen und Politiker haben das Recht, eine persönliche Grenze zu ziehen. Man muss keine Homestory machen. Politikern fällt es auch oft auf die Füße, wenn sie mit ihrem Privatleben Politik machen wollen. Wenn jemand das Bild des treusorgenden Familienvaters und der „heiligen“ Familie propagiert und dieses Bild für sich beansprucht, dann darf er sich natürlich nicht wundern, wenn er ein Problem hat, wenn er beim Ehebruch erwischt wird. Das ist eine Frage von Anspruch und Wirklichkeit. Und insofern ist jede und jeder in der Politik gut beraten, sich zu überlegen, wo er seine Grenze zieht und welches Bild er in der Öffentlichkeit vertritt. Politikerinnen und Politiker haben natürlich dahingehend Vorbildfunktion, dass sie Gesetze, die sie ja mit verabschieden, auch einhalten. Das heißt nicht, dass man keinen Fehler machen darf, aber eigener Anspruch und eigenes Verhalten müssen übereinstimmen.

Wie bewerten sie dahingehend den Fall Adolf Sauerland? Hätte er nach ethischen Maßstäben zurücktreten müssen?

Ich glaube, da ist ganz viel schief gelaufen. Ich selbst maße mir da kein Urteil an, aber er hat sehr unglücklich agiert, er hat nicht den richtigen Ton getroffen. Er hat den Unterschied zwischen juristischer Schuld und politischer Verantwortung nicht gesehen, beziehungsweise die Balance nicht gefunden. Anders wäre die große Zahl an Unterschriften für seine Abwahl auch nicht zu erklären. So ist eine ganz tragische und unglückliche Situation entstanden, die auch die Stadt spaltet. Ich verstehe sehr gut, dass viele Menschen in der Stadt sich einen parteilosen Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters wünschen, weil die Konfrontation zwischen den Parteien alles blockiert.

Eine Frage noch zur Rubrik Internationales. Welche Rolle spielen ethische Handlungslinien in der Wirtschaftspolitik? Ist es ethisch, Handelsbeziehungen zu China oder anderen autoritären Staaten zu unterhalten?

Die Hoffnung ist, dass autoritäre Staaten durch den Kontakt und den Austausch mit demokratischen Gesellschaften positiv beeinflusst werden. Ich finde allerdings auch, dass die Unternehmen, die in China investieren, eine Verantwortung haben. Sie sollten nach hiesigen ethischen Maßstäben agieren und sich nicht die Praktiken des autoritären Regimes zunutze machen, um ihren Profit zu steigern. Das wäre unethisch. Da gibt es aber auch gute Beispiele. Ich kenne ein Unternehmen aus Solingen, das in China produziert und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort sehr gut und fair behandelt. Dieses Unternehmen nimmt seine soziale Verantwortung wahr.

Frau Löhrmann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.