drei fragen an … dirk messner

Wie wichtig ist das Thema Ethik im Politikfeld der Entwicklungszusammenarbeit?

 

Ethik ist im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit sehr wichtig, weil es ja in vielen Fragen der Entwicklungspolitik um Gerechtigkeitsfragen geht. Es geht um die Frage des Zugangs von Menschen zu Bildung, zu Infrastruktur und zu Gesundheitsdienstleistungen. Das sind alles ethische Fragen, denn die meisten dieser Probleme lassen sich ja ökonomisch und technisch lösen. Aber es sind Gerechtigkeitsfragen und politische Machtfragen, die sich hier stellen. Insofern ist Ethik ein wesentliches Element von Entwicklungspolitik.

 

In welchem Verhältnis stehen in der Entwicklungspolitik Werte wie die Menschenrechte auf der einen und wirtschaftliche oder geostrategische Interessen auf der anderen Seite?

 

Ich glaube, dass das eine Frage nach dem Interessenbegriff ist, mit dem man arbeitet. Nationale Gesellschaften haben nationale Interessen. Deutschland hat zum Beispiel nationale Handelsinteressen (Zugang zu Märkten), Interessen am Zugang zu Rohstoffen und daran, dass unsere eigene Wirtschaft in der Weltwirtschaft fair behandelt wird. Es gibt also unmittelbare nationale Interessen. Auf der anderen Seite gibt es aber Gerechtigkeitsprinzipien und Menschenrechtsfragen. Das ist sozusagen die normative Dimension der internationalen Politik und die ist genauso wichtig – sie hat mit Legitimation, internationaler Reputation, den Vorstellungen von einer fairen Weltordnung, kurz: soft power, zu tun. Und in einer längerfristigen Perspektive gilt: Wenn die Entwicklungs- und die Außenpolitik systematisch Menschenrechte und Gerechtigkeitsfragen vernachlässigen, dann führt das oft zu Instabilität im internationalen System, weil andauernde Ungerechtigkeit von den Menschen nicht akzeptiert wird. Insofern wären dann Normen und Werteorientierungen Teil eines aufgeklärten Interessenbegriffes.

 

Viel diskutiert worden ist die Nicht-Beteiligung Deutschlands am Libyen-Einsatz der NATO. Gibt es eine ethische Pflicht in den Internationalen Beziehungen zu humanitären Interventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung – gerade mit Blick auch auf Syrien?

 

Wir haben ja in den Internationalen Beziehungen seit recht kurzer Zeit das Prinzip „Responsibility to Protect“ verankert. Also die Verpflichtung, die Verantwortung, Menschen zu schützen, wenn sie von ihren eigenen Regierungen drangsaliert werden. Und das ist ein großer Fortschritt in der internationalen Politik, die bisher ja darauf basierte, dass Staaten untereinander in Austausch treten und man nicht in die Interessen und in die Sphären anderer Staaten hinein agieren sollte. Mit dem Prinzip „Responsibility to Protect” werden Menschen, quasi als Weltbürger, und deren Rechte ins Zentrum gestellt und damit die Souveränitätsrechte von Staaten in Fällen schwerster Menschenrechtsverletzungen, von Kriegsverbrechen oder gar von Genoziden eingeschränkt. Insofern stellt sich dann im Einzelfall immer die Frage, wann eine Grenze erreicht ist, an der eine Intervention von außen gerechtfertigt ist, um radikale und weitreichende Menschenrechtsverletzungen in den jeweiligen Gesellschaften zu unterbinden. Ob es im Falle Libyens konkret richtig oder falsch war, kann man diskutieren. Ich bin der Meinung, Deutschland hätte im Fall Libyens die breite internationale Allianz, die die Bewegung gegen Gaddafi unterstützt hat, ebenfalls unterstützen sollen. Immerhin hatte Gaddafi öffentlich angekündigt, seine politischen Gegner auslöschen zu wollen. Im Falle Syriens liegen ähnliche Menschenrechtsverletzungen vor. Ob man machtpolitisch in diesem Fall in Syrien in diesem Moment etwas durch eine militärische Intervention erreichen kann, ist jedoch fragwürdig, weil es in Syrien selbst keine identifizierbare und tragfähige Akteurskonstellation gibt, die einen möglichst friedlichen Wandel bewerkstelligen könnte. Deswegen ist die Sorge, dass man dort mit einer militärischen Intervention großes politisches Chaos anrichtet, nicht unbegründet. Aber: Man kann einiges tun, um zusammen mit den Nachbarstaaten Syriens das Regime zur politischen Öffnung zu drängen. Das ist ein Beispiel dafür, dass es immer eine Einzelfallentscheidung ist.

Die Fragen stellte Mirco Rolf.