patente auf menschliche embryonen?

Patente auf menschliche Embryonen verstoßen gegen die Menschenwürde! Der Bonner Forscher Oliver Brüstle unterlag jüngst vor dem Europäischen Gerichtshof in einer Auseinandersetzung mit Greenpeace. Das Urteil verquickt viele ethische Fragen irrational miteinander.

 

Jüngst hat der Gerichtshof der Europäischen Union dem Bonner Forscher Oliver Brüstle die Anerkennung eines Patentes versagt. Aufgrund der Erfolge im Bereich der Stammzellforschung wollte Brüstle ein Patent für Stammzelllinien erwerben. Es ging um embryonale Stammzellen, aus denen die Bonner Forscher Nervenzellen gewinnen können, die im Rahmen der Erforschung und Behandlung der Parkinsonkrankheit wichtig sind. Das Urteil des Gerichtshofes versagt dem Forscher nun das Patent. Brüstle fand das Urteil „niederschmetternd“. Er begründet seine Einschätzung: „Denn dieses Urteil, das die Patentierbarkeit verbietet, impliziert ja auch, dass diese Art Forschung nicht gewünscht ist.“ Eine solche Schlussfolgerung erscheint aber überdehnt: Das Gericht verbietet nur die Patentierung von embryonalen Stammzellen; es stimmt mit Brüstle darin überein, dass die Forschung keine Menschenwürdeverletzung darstellt. Mehr noch: Alle Prozessbeteiligten (das Gericht, Brüstle und Greenpeace) stimmen in dem Prozess darin überein, dass Stammzellen patentierbar sind. Das Urteil sollte gerade deshalb als niederschmetternd betrachtet werden, weil die Parteien und die Argumente in diesem Prozess seltsam verquickt sind. Der sogenannte Embryonenschutz ist die eine Seite der Verquickungen, die Patentierungsfrage die andere. Embryonen. Ein Mensch entsteht, wie viele andere Tiere, wenn eine Samenzelle eine Eizelle befruchtet, sich diese befruchtete Eizelle in einem Uterus einnistet und dann ein Organismus entsteht und heranreift, der schließlich geboren wird. Wenn Menschen geboren werden, ist das insofern besonders, als Menschen Menschenrechte zukommen, anderen Tieren nicht. So trivial diese Darstellung erscheinen mag. Es ist ein offener Streit, ob die befruchtete Eizelle schon ein Embryo ist und ob bereits ihr die unteilbare Menschenwürde zukommt. Ein Embryo ist die ungeborene Leibesfrucht und es herrscht schlicht keine Einigkeit darüber, ob befruchtete Eizellen außerhalb des Leibes schon Embryonen sind. Aber selbst wenn, macht die bundesdeutsche Rechtslage (Pränataldiagnostik, Abtreibung) deutlich, dass man mit der Leibesfrucht anders umgehen darf als mit geborenen Menschen. Für die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 sind aufgrund dieser Unklarheiten alle Menschen gleich an Würde geboren.

Der europäische Gerichtshof hat nun aber Folgendes entschieden. Die in Deutschland geltende, in sich widersprüchliche, Rechtslage wird für die Europäische Union verallgemeinert. Hier geht es um drei Argumentationsschritte: (1) Das bundesdeutsche Embryonenschutzgesetz hat das Ziel, befruchtete Eizellen zu schützen, die im Rahmen der extrakorporalen Befruchtung entstehen. (2) Diese befruchteten Eizellen werden dann in diesem Gesetz als Embryonen definiert. (3) Aufgrund dieser deutschen Rechtslage kommt das europäische Gericht nun zu der Feststellung, dass menschliche embryonale Stammzellen nicht patentierungsfähig sind. Damit ist nun aber für die gesamte Europäische Union – zumindest in der Patentierungsfrage – die Definition des Embryos im bundesdeutschen Embryonenschutzgesetz verbindlich geworden. Der Grund ist, dass Brüstle für seinen Patentantrag in andere Länder abwandern könnte, dort ein Patent bekommt, das dann von der BRD aufgrund des europäischen Patentrechtes anerkannt werden müsste. Aus diesem Grund fällt das Patent. Dieser Grund ist nur deshalb ein Grund, weil das deutsche Embryonenschutzgesetz in der (wirtschaftlichen) Instrumentalisierung von befruchteten Eizellen einen Menschenwürdeverstoß sieht.
In all seiner Widersprüchlichkeit formuliert die Randnummer 35 den Kurzschluss: „Insofern ist jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an als ‚menschlicher Embryo‘ … anzusehen, da die Befruchtung geeignet ist, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen.“ Die extrakorporale Befruchtung setzt aber schon allein deshalb ziemlich wenig in Gang, weil die Frau, deren Eizelle befruchtet wurde, sich willkürlich weigern kann die befruchtete Eizelle eingepflanzt zu bekommen. Anhand des Argumentationsganges des Gerichtshofes kann man sehen, wie nationale weltanschauliche Besonderheiten international verbindlich werden. Insofern ist die Resignation Brüstles verständlich.

Patentierung. Der europäische Gerichtshof verbietet mit seinem Urteil ein Patent. Ethisch sind hier zwei Dinge relevant, die man auseinanderhalten muss.

(1) Was genau verbietet der europäische Gerichtshof aber? Verboten ist nicht die Forschung an embryonalen Stammzellen, die dadurch entstehen, dass mit befruchteten Eizellen im Labor Prozesse in Gang gesetzt werden, die nicht zur Schwangerschaft oder Geburt führen. Die Forschungen stellen gerade keine Menschenrechtsverletzung dar (denn sie sind ja legal!). Die Resignation Brüstles verrät vielmehr ein Wissenschaftsethos, das seinerseits ethisch bedenklich, zumindest aber nicht alternativlos ist: „Warum sollten sie [Forscher] an etwas forschen, das nie zur Anwendung kommt.“ Doch warum sollten Forschungsergebnisse, für die man kein Patent bekommt, niemals zur Anwendung kommen? Man braucht doch nur Patente, wenn andere etwas anwenden und Nutzen davon haben werden, von dem man selbst alleine profitieren möchte. Die größtenteils öffentlich finanzierte Forschung führt zu Patenten, deren ökonomischer Nutzen privatisiert werden soll. Hier sollte man zumindest kurz an das Wissenschaftsverständnis der UNESCO von 1974 denken: Wissenschaft dient dem materiellen und kulturellen Wohlstand, Wissenschaft ist eine schöpferische Tätigkeit, Wissenschaftler sollten einen Sinn für den Dienst an der Gemeinschaft entwickeln. Das mag zu idealistisch erscheinen, aber dass Forscher ohne Patente ihr Interesse an ihrer Forschung verlieren, ist sicherlich strategisch pessimistisch.

(2) Gegen den Patentantrag Brüstles hat Greenpeace geklagt und offensichtlich mit seiner Argumentation Erfolg gehabt. Wie problematisch der Erfolg war, wurde oben gezeigt. Die moralischen Kosten sind aber noch weit höher. Denn in anderen Kontexten argumentiert Greenpeace ebenfalls gegen Patente auf Leben (Zellen, gentechnologisch veränderte Organismen und sogar Arten). In diesen Kontexten spielt es aber keine Rolle, ob die Patente Leben betreffen, das menschlich ist oder nicht. Das Urteil des europäischen Gerichtshofes verbietet nun auf Betreiben von Greenpeace Patente auf Menschen mit dem Argument der Menschenwürde. Greenpeace beruft sich bei der Ablehnung des Patentschutzes für Lebewesen auf allgemeinere Argumente. Knapp formuliert ist das zentrale Argument: „Forscher erfinden Tiere und Tierarten nicht! Sie entdecken sie. Aber nur Erfindungen genießen Patentschutz.“ Diese generelle Argumentation scheint das Gericht jedoch nicht zu teilen und Greenpeace hat sich vermutlich in der Klage gegen Brüstles Patent gerade deshalb nicht darauf berufen, sondern auf den Menschenwürdeschutz von sogenannten Embryonen. Um also das Brüstle-Patent zu Fall zu bringen, stimmt Greenpeace ad hoc in der allgemeinen Patentfrage überein, denn die Urteilsbegründung des Gerichts fußt gerade darauf, dass die Patentierbarkeit von Stammzellen an sich kein rechtliches Problem ist. Das Urteil wirkt nicht nur von Deutschland auf die Union, sondern es schafft als europäisches umgekehrt in der Patentierungsfrage Fakten für den deutschen Rechtsbereich. Bezogen auf diese beiden letzten Punkte ist Brüstles Resignation nicht verständlich oder zumindest problematisch; ebenso wie der Jubel bei Greenpeace. Der philosophische Ethiker kann hier in vielen juristischen und naturwissenschaftlichen Detailfragen nicht viel sagen. Was man aber sagen kann, ist: Man sollte im öffentlichen Diskurs seine Interessen einerseits offen legen und andererseits gründlich hinterfragen. Und man sollte sich bei aller Komplexität der Welt unserer Werte um mehr Kohärenz der Urteile und ihrer Begründungen bemühen. Das gilt für Forscher ebenso wie für Menschenrechtsorganisationen und Gerichtshöfe.