drei fragen an … heiko kretschmer

Ihre Agentur „Johanssen + Kretschmer“ steht für strategische Kommunikationsberatung an den Schnittstellen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Mit Politikberatern und Lobbyisten werden jedoch auch negative Attribute wie Manipulation und Täuschung der Öffentlichkeit verbunden. Berechtigte Kritik?

 

Interessenvertretung wird in der öffentlichen Debatte in Deutschland oft als illegitim bewertet. Es herrscht der Eindruck vor, Politik bediene zu oft Interessen, statt das Gemeinwohl. Die Kritik ist zweischneidig. Denn einerseits gibt es nichts in der Politik, was frei von Interessen ist. Jede Entscheidung muss also Interessen abwägen und wird einzelnen Interessen nützlich sein. Andererseits verstecken sich viele Interessenvertreter mit ihren Anliegen vor der Öffentlichkeit, als müssten sie ein schlechtes Gewissen haben. Das gilt gerade bei heiklen und schwierigen Fragestellungen. Darüber hinaus befinden wir uns in einem grundsätzlichen Dilemma: Der Ruf nach Transparenz wird schnell laut. Was das aber im Detail bedeutet, ist weitaus komplizierter. Welche Themen müssen oder können transparent und offen behandelt werden, welche verlangen Vertraulichkeit? Die Auseinandersetzung mit diesen grundlegenden Fragen erfolgt oft nur stiefmütterlich und auch teilweise unprofessionell.

 

Sie sind Ethikbeauftragter der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung e.V. (de’ge’pol). Mit welchem Ziel wurde diese Position eingerichtet und was genau sind Ihre Aufgaben als Ethikbeauftragter?

Die gesellschaftliche Forderung nach mehr Transparenz ist kein Modethema, sondern Ausdruck eines grundlegenden gesellschaftlichen Wandels. Das zeigt sich aktuell beispielsweise in der Popularität der Piratenpartei, aber auch bei Organisationen wie Foodwatch. Warum ist das so? Die Themen und Probleme, mit denen sich unsere moderne Gesellschaft konfrontiert sieht, zeichnen sich durch hohe Komplexität aus, die der Normalbürger nicht einfach durchdringen kann. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es immer wichtiger wird, offenzulegen, welche politischen Entscheidungen wie getroffen werden. Die Forderung nach Transparenz betrifft ebenso die Interessenvertretung, wie es beispielsweise in der Diskussion um das Lobbyregister deutlich wird. In dieser Debatte möchte die de’ge’pol nicht nur reagieren, sondern aktiv agieren. Aus diesem Grund hat sich die de’ge’pol einen Kodex gegeben, der die grundsätzlichen „Spielregeln“ festhält. Das gilt beispielsweise für die Verpflichtung zur Offenlegung der Auftraggeber bei Politikerkontakten oder die klare Trennung zwischen beruflicher Beratungstätigkeit und der Ausübung von politischen Ämtern, Mandaten und Funktionen. Der Ethikbeauftragte ist federführend mit der Gestaltung der Debatte und darüber hinaus mit der Überwachung des Kodex‘ beauftragt.

 

Worin manifestieren sich ethische Standards in Ihrer Agentur ganz konkret? Gibt es Auftraggeber, bei denen sie die Beratung beispielsweise ablehnen?

J + K hat sich einen Code of Business gegeben, der auf den ethischen Standards der Branche aufbaut, Teil der Agenturordnung und somit für jeden Mitarbeiter verpflichtend ist. Die Standards betreffen ganz unterschiedliche Bereiche. Wenn wir beispielsweise für unsere Kunden Lobbying betreiben, ist für uns die Absendertransparenz oberstes Gebot. Denn Lobbying und PR verlieren ihre Legitimation, wenn im Prozess widerstreitender Partikularinteressen der Absender verschleiert wird. Ein weiteres Beispiel, wie ethische Standards konkret greifen, zeigt sich in der Zusammenarbeit von Journalisten. Koppelgeschäfte sind ein absolutes Tabu. Bezüglich unserer Auftraggeber gilt ein einfacher Grundsatz: Alle Positionen, die wir im demokratischen Meinungsstreit für legitim halten, beraten wir auch. Daher lehnen wir die Arbeit für rechtsextreme Parteien oder Scientology ab.
Die Fragen stellte Ricarda Kiehne.