Bayern vor der Wahl

Bayern vor der Wahl: Wie nah sind sich CSU und Grüne?

Der FC Bayern steht an der Spitze der Fußball-Bundesliga, in München und Ingolstadt prosperiert die Automobilindustrie und die CSU regiert mit absoluter Mehrheit. Im Freistaat könnte alles im Lot sein. Doch die Grundpfeiler des bayerischen „Mia san mia“ sind ins Wanken geraten: Der Rekordmeister ärgert sich über Platz sechs in der Tabelle, Audi-Chef Stadler sitzt in Untersuchungshaft und die CSU liegt kurz vor der Landtagswahl in Umfragen bei 35 Prozent. Die sonst so selbstbewusste Partei wird sich nach derzeitigem Stand einen Koalitionspartner suchen müssen. Im TV-Duell der SpitzenkandidatInnen trat kürzlich nicht die SPD-Frau Natascha Kohnen gegen Markus Söder an – sondern Ludwig Hartmann. Ja genau, der von den Grünen. In Bayern stellt sich also die Frage: Wer kann mit wem?

Die bürgerliche Koalition aus CSU und FDP hat nach aktuellen Umfragen keine nennenswerte Chance eine Mehrheit zu erreichen. Die Liberalen halten sich seit Wochen nur knapp über der Fünfprozenthürde, sodass derzeit nicht sicher ist, ob sie überhaupt in den Landtag einziehen. Die SPD steht – auch aufgrund ihrer aktuellen bundespolitischen Performance – noch schlechter da als sonst. Kontrahent Markus Söder fühlt sich deshalb sogar schon beinahe dem „Artenschutz“[i] verpflichtet. Und da eine Koalition mit der AfD und den Linken seitens der CSU kategorisch ausgeschlossen wird, bleiben nur noch Grüne und Freie Wähler. Obwohl letztere der CSU auf dem Parteienspektrum näherstehen und erheblich koalitionswilliger scheinen, unterliegen die Freien Wähler strukturellen Schwächen, die sie als Koalitionspartner für die CSU unattraktiver werden lassen (sie spielen beispielsweise weder auf Bundesebene noch in den Großstädten eine Rolle). Außerdem steht das Erreichen einer Mehrheit durch CSU und Freien Wählern alleine auf wackeligen Beinen. Gut möglich, dass die FDP als Mehrheitsbeschafferin für eine unbeliebte Dreierkonstellation fungieren müsste. Wenn sie denn in den Landtag kommt.

Reicht es also nicht für eine Mehrheit zwischen CSU und Freien Wählern, dürfte ein schwarz-grünes Bündnis im Münchener Maximilianeum wahrscheinlicher werden. Im grünen Wahlprogramm jedenfalls heißt es: „Bayern liegt uns am Herzen. Unser Ziel ist klar: Wir wollen unser Land gestalten! Und das können wir am besten, wenn wir regieren“.

Von Seiten der Grünen werden zwar teils harte Bedingungen formuliert – ein gänzlicher Ausschluss war bisher jedoch nicht zu vernehmen. „Bei der CSU muss sich überall was bewegen“[ii], dann könne man miteinander reden, sagte etwa Grünen-Chef Robert Habeck vor wenigen Tagen. Auch Ludwig Hartmann äußerte zwar im August, er könne sich nicht vorstellen, mit dieser CSU zu regieren. Implizit dürfte das jedoch bedeuten: Mit einer anderen CSU – etwa unter anderer Führung – könnte es anders aussehen.  Die Haltung der Christsozialen ist demgegenüber zurückhaltender. Markus Söder geht auf Distanz: „Das Programm der Grünen ist aus meiner Sicht so in der Form nicht koalitionsfähig“,[iii] äußerte der Ministerpräsident Mitte Oktober. Fraktionschef Thomas Kreuzer sowie Ex-CSU-Chef Erwin Huber schlossen eine Koalition mit den Grünen gar komplett aus. Mit Grünen-Politikern wie Winfried Kretschmann könnten sich Teile der CSU eine Zusammenarbeit wohl noch vorstellen, anders sieht es bei dem bayerischen Spitzenduo aus Katharina Schulze und Ludwig Hartmann aus. Diese werden innerhalb der CSU als “nicht so vernünftig” eingeschätzt wie die Kollegen aus Baden-Württemberg[iv].

Doch in der Politik soll es ja auch um Inhalte gehen. Ein Vergleich des „Regierungsprogramms“[v] der CSU mit dem „Wahlprogramm“[vi] der Grünen ist daher aufschlussreich und liefert zwei interessante Erkenntnisse.

Erstens stehen sich Grüne und CSU in den jeweils für die Parteien identitätsstiftenden Politikfelder Umwelt und Asyl annähernd diametral gegenüber. Während es sich bei der CSU in der Asylpolitik primär um Rückführungen, Abschiebung und Abgrenzung dreht, setzen die Grünen überwiegend auf Weltoffenheit, Integration und „Fluchtursachen bekämpfen – nicht Geflüchtete“. Die starke, mediale Brisanz des Themas erschwert es beiden Parteien zusätzlich, auf diesem Gebiet Zugeständnisse zu machen.

Im Bereich Umwelt können zwar weniger gegensätzliche Aussagen in den Programmen ausgemacht werden, was jedoch schlicht auf die Kürze des Umweltkapitels im CSU-Programm zurückzuführen ist. Hier geht die Partei erwartungsgemäß auf die Landwirtschaft ein; auch von Naturparks, Einrichtungen zum Artenschutz und Umweltbildung wird gesprochen. Letztlich gilt für die CSU jedoch auch bei den wenigen, umweltaffinen Themen immer noch „Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht”. Ganz anders bei den Grünen: Nicht nur, dass Umwelt-, Klima-, Natur- und Artenschutz das umfangreichste Kapitel darstellt und an erster Stelle platziert ist; auch durch andere Bereiche ziehen sich immer wieder Aspekte der Nachhaltigkeit. Das Umweltprimat der Grünen dürfte in einer Koalition mit den Christsozialen langfristig für Schwierigkeiten sorgen.

Beide Bereiche bieten also großes Potential für ein Scheitern der möglichen Koalition: Nicht nur, weil die Parteien hier thematisch weit voneinander entfernt stehen, auch weil beide Themengebiete für die jeweilige Kernwählerschaft identitätsstiftende Bedeutung haben und auf Konzessionen besonders sensibel reagiert würde.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Politikbereiche, in denen Schnittmengen bestehen. Hier sind beispielsweise sozialer Wohnungsbau, Pflege, Kinderbetreuung, Bildung oder Digitalisierung zu nennen. Hier kann immerhin ein gemeinsames Grundinteresse erkannt werden. Dies gilt auch was Sicherheit und Rechtsstaat angeht: Beide Parteien wollen sowohl Polizei als auch Justiz mit mehr Stellen und Ressourcen ausstatten – wenn auch in unterschiedlichem Umfang (CSU 3000 Stellen, Grüne 500 Stellen bei der Polizei). Auch im Bereich Mobilität kämen CSU und Grüne in Sachen ÖPNV auf einen Nenner: Den wollen nämlich beide stärken.

Letztlich ist die Ausgestaltung der Forderungen in allen Politikbereichen stark durch parteipolitische und ideologische Grundlinien gekennzeichnet, die bei CSU und Grünen eben weit voneinander entfernt sind. Auch zwischen den Führungspersonalien beider Parteien ist wenig Harmonie zu erkennen. Trotzdem können auf inhaltlicher Ebene gemeinsame Interessen identifiziert werden – und darum geht es ja schlussendlich.

Nachdem dieser Artikel einen groben Aufriss der aktuellen Situation lieferte, soll am Montag – nach der Wahl – die inhaltliche Ebene vertieft werden. Auch über die Wahrscheinlichkeit einer schwarz-grünen Koalition und deren Bedeutung für Bund und Land, werden wir mit dem Passauer Politikwissenschaftler und CSU-Experten Michael Weigl am Montag im Interview sprechen.

Ein Beitrag von Laura Bieder und Tim Frehler.

Laura Bieder absolvierte ihren Abschluss in Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen und ist seit 2017 Masterstudierende an der NRW School of Governance. Praktische Erfahrungen konnte sie im nordrhein-westfälischen Landtag sowie im Berliner Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes sammeln.

 

Tim Frehler studierte im Bachelor Staatswissenschaften in Passau und Tartu und ist seit 2018 Masterstudent an der NRW School of Governance. Praktische Erfahrungen sammelte er unter anderem im Journalismus, sowie in der Öffentlichkeitsarbeit eines Rundfunksenders.

 

[i] Frasch, Timo / Alexander Haneke (2018): Die Welt besteht nicht nur aus Champagnermarken. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.09.2018.

[ii] Bomhard, Joachim (2018): Grünen-Chef Habeck: Wir reden mit der CSU, wenn sie ihre Fehler einsieht. Online unter: https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Gruenen-Chef-Habeck-Wir-reden-mit-der-CSU-wenn-sie-ihre-Fehler-einsieht-id52405066.html. (Stand 13.10.2018).

[iii] ZDF Online (2018): Söder: “Grünen-Programm ist uralt”. Online unter: https://www.zdf.de/nachrichten/heute/soeder-vor-bayern-wahl–gruenen-programm-ist-uralt-100.html. (Stand: 13.10.2018).

[iv] Frasch, Timo / Rüdiger Soldt (2018) Die grüne Südschiene. Online unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/wahl-in-bayern/was-die-csu-bei-einem-blick-nach-baden-wuerttemberg-haette-lernen-koennen-15826040.html. (Stand: 13.10.2018).

[v] Vgl. Christlich Soziale Union (CSU) (2018): CSU Regierungsprogramm. Online unter: https://www.csu.de/wahl2018/download/Regierungsprogramm_2018.pdf (Stand: 13.10.2018).

[vi] Vgl. Bündnis 90/Die Grünen (2018): Landtagswahlprogramm Bayern 2018. Online unter: https://gruene-bayern.de/wp-content/uploads/2018/07/B90-DieGruenen-Bayern_Landtagswahlprogramm-2018_BARRIEREFREI.pdf (Stand 13.10.2018).