Der Verteidiger-Minister

Den Betrachter mag die Tatsache verwundern, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière für den ehemaligen Trainer Borussia Dortmunds, Jürgen Klopp, schwärmt. Der spröde Politiker und der impulsive Fußballtrainer haben jedoch mehr gemeinsam als auf dem ersten Blick ersichtlich. Als Jürgen Klopp im Winter des vergangenen Jahres mit seinem Klub in Abstiegsgefahr geriet und im April dieses Jahres seinen Rücktritt zum Saisonende bekanntgab, wurde dem Übungsleiter oft vorgeworfen, dass er nur ein System spielen könne. In der Politik ist es wie im Fußball. Manchmal ist die stabile Defensive gefragt, manchmal der forsche Angriff – je nach Anlass. Am besten ist es, beide Systeme zu beherrschen. Doch de Maizière ist nur ein Mann der Defensive.

Manchmal ist die zurückhaltende und sachliche Art de Maizières wohltuend. Etwa Ende des vergangenen Jahres, als er Julia Klöckners populistischen Vorstoß für ein Burka-Verbot in Deutschland als „unverhältnismäßig“ zurückwies. Oft stößt jedoch der Bundesinnenminister mit seiner zurückhaltenden und zögerlichen Art an seine Grenzen. Sichtbar wurde dies bei de Maizière vor allem in seiner gut zweijährigen Amtszeit als Bundesverteidigungsminister. G36, MH40 oder EuroHawk – die Pannen in de Maizières Amtszeit als Verteidigungsminister entfalteten ihre negative Wirkung durch eine misslungene Krisenkommunikation. Und sie holten ihn ein, als mit Ursula von der Leyen eine andere, die im Gegensatz zu de Maizière den Offensivgeist verkörpert, im Ministerium das Sagen hatte. Von der Leyen nutzte die untauglichen Drohnen und die nicht treffsicheren Gewehre immerhin als Waffe, um ihren vermeintlich größten Rivalen in der Thronfolge hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel zu schwächen.

In der Krisenkommunikation könnte sich de Maizière ausgerechnet bei seiner Rivalin einiges abschauen. „Von der Leyens Prinzip ist die Vorwärtsverteidigung. Sie will Krisen erkennen, bevor es jemand anderes tut. Sie will die Sprengsätze entschärfen, bevor sie explodieren“, schrieb DER SPIEGEL über die Verteidigungsministerin. Was Frank Roselieb, der geschäftsführende Direktor und Institutssprecher des Kieler Instituts für Krisenforschung, „Krisennavigator“, mit Blick auf den Datenschutzskandal bei der Deutschen Bahn vor sechs Jahren erklärte, lässt sich ohne Weiteres auch auf ein Ministerium übertragen. „Das Unternehmen sollte also zeitnah und in gebotener Transparenz über die Probleme im eigenen Haus informieren. Versucht es, erst hinter den Kulissen alle Fakten zu recherchieren, und wendet sich dann mit einer ersten Pressemitteilung an die Öffentlichkeit, so entsteht schnell der Eindruck einer „Kopf in den Sand-Politik“. Das dann entstehende Informationsvakuum wird schnell mit Gerüchten und Halbwahrheiten Dritter gefüllt.“ Und für de Maizière hätte auch ein Blick in den Leitfaden zur Krisenkommunikation seines eigenen alten neuen Hauses, des Bundesinnenministeriums, getan, der sich, wenn auch weniger mit untauglichen Drohnen oder nicht treffsicheren Waffen, eher mit natürlicheren Katastrophen beschäftigt. Dort steht geschrieben, dass es wichtig sei, „dass die verantwortlichenStellen so schnell wie möglich souverän handeln. Das Ziel muss eine offensive statt defensive Kommunikation sein.“ In der Krisenkommunikation sollte lieber zu viel als zu wenig geredet werden.

In einer zunehmend beschleunigten Politik wirkt de Maizière wie eine aus der Zeit gefallene Persönlichkeit. Seine misslungene Krisenkommunikation zeugt auch von der „Zeitkrise des Politischen“, die der Duisburger Politikprofessor Karl-Rudolf Korte beschrieb. Die Zeit, in Ruhe abzuwägen und erst dann zu kommunizieren, hat der Politiker heutzutage nicht mehr. De Maizière erinnert an einen Fußballer, dessen Spiel daraus besteht, in Ruhe den Blick aufs Spielfeld schweifen zu lassen und dann die Bälle den Mitspielern vor die Füße zu spielen, dem aber nun die Gegenspieler auf den Füßen stehen.

Und als hätte de Maizière nicht bereits genug mit der Vergangenheitsbewältigung zu tun, tauchen nun im neuen, alten Ministerium mit der erhöhten Terrorgefahr und den zunehmenden Flüchtlingszahlen neue Fallstricke auf. Hat de Maizière seine Krisenkommunikation angepasst? Ja. Hat de Maizière daraus gelernt? Nein. Ob die verschärfte Rhetorik in der Flüchtlingsdebatte oder seine unnötige Aussage „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung von Senthuran Sivananda Senthuran Sivananda ist Masterstudent an der NRW School of Governance nach dem Bachelor-Studium der Politikwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen. Praktische Erfahrungen sammelte er im NRW-Innenministerium und in der Krefelder SPD-Stadtratsfraktion. verunsichern“ nach dem verhinderten Terroranschlag im Umfeld des Fußball- Länderspiels Deutschland gegen Niederlande, haben gezeigt, dass de Maizière die offensive Krisenkommunikation nicht kann. Der Bundesinnenminister ist in der offensiven Krisenkommunikation wie ein Fußballer, dem der Ball zugespielt wurde, aber der damit nichts anfangen kann.