Die Medien als legitimatorische Achillesferse der Politik?

Es ist unbestritten, dass mit der flächendeckenden Verbreitung und permanenten Nutzung von massenmedial produzierten Inhalten der Einfluss von Medien auf die Politik wächst. Doch der Stellenwert der Medien beeinflusst unser Verständnis von politischer Legitimation.

Die zunehmende Bedeutung von Massenmedien und speziell des Internets, hat die Anforderungen an politische Akteure und besonders an die von ihnen durchgeführte Politikvermittlung stark verkompliziert. Die institutionell vermittelte (politische) Legitimität verliert an Gewicht und der Begründungs- und Zustimmungspflicht der Politik wird nunmehr vermehrt medial nachgekommen. Aus diesem Grund sehen Kommentatoren des Politikbetriebs in der Politik immer häufiger ein schwer durchschaubares Geflecht aus Strategien, Täuschungen und Intrigen. Das „impression management“ dient als möglichst effektive Kontrolle der eigenen Erscheinung und wird zunehmend zum wichtigsten Anliegen politischer Akteure. Diesem Misstrauen liegt die Annahme zugrunde, dass Politiker im Ringen um Deutungsmacht ihr Augenmerk eher auf individuelle mediale Performanz legen, als inhaltliche Politikvermittlung zum Ziel ihrer medialen Auftritte zu machen.

Kommunikation als Währung der Politiker

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich die Medien in der heutigen Gesellschaft nicht mehr auf die reine Informationsvermittlung beschränken. Durch die kommerzielle Ausbreitung des Medienangebotes, die Herausbildung neuer Medientypen und die den Medien entgegengebrachte Aufmerksamkeit, werden die Medien Grundlage der Kommunikationspraxis anderer Akteure. Kurz: Die Vorstellung, Politik „pur“, also ohne medial vermitteltes Beiwerk aufnehmen zu können, ist in dieser Mediengesellschaft illusorisch. In Anbetracht der scheinbar unermüdlichen Bemühungen deutscher Politiker im Wettstreit um mediale Aufmerksamkeit, werden kurzfristige Wahrnehmungen von (politischen) Themen und vor allem Personen zunehmend wichtiger. Die mediale Verbreitung komplexer politischer Sachverhalte dient heutzutage nicht mehr der reinen Informationsgewinnung, sondern ist zugleich oft auch Anker der Bewertung politischer Prozesse. Politische Kommunikation erfolgt dementsprechend vorwiegend vor dem Hintergrund der Bedingungen des Marktes. Dies spiegelt sich in der Unterhaltungsnachfrage des Publikums wieder. Einschaltquote und Auflagenzahl werden zu Währungen im Zusammenspiel von Medien und Politik.

Politische Akteure machen mittlerweile circa 60 Prozent der medialen Politikberichterstattung aus – die daraus resultierende akteurszentrierte Perzeption von politischen Inhalten und Prozessen hat jedoch zahlreiche negative Begleiterscheinungen. Antje Vollmer (B90/Grüne), ehemalige Vizepräsidentin des deutschen Bundestags, bezeichnete in diesem Zusammenhang Politik-Talkshows als Nebenparlamente, als „Nebenautoritäten ohne Mandat“. Diese würden mit ihrer betont auf Spitzenpolitiker ausgerichteten Art politische Entscheidungsprozesse und vor allem die öffentliche Meinungsbildung zu Lasten der (partei-) politischen Institutionen wie dem Bundestag beeinflussen. Durch diesen institutionellen Autoritätsverlust und den Bedeutungszuwachs der Medien wird das „Aufmerksamkeitsmanagement“ zum Machtmittel der Akteure. Die Ansprüche an politische Akteure haben sich demzufolge gewandelt: Neben der inhaltlichen Professionalität umfasst das Anforderungsprofil auch eine gestalterische Professionalität, mit welcher die ästhetische, stilistische und sprachliche Umsetzung der politischen Kommunikation gemeint ist. Daraus resultiert eine intensivere Ausrichtung politischer Akteure auf die Medien und die Wahrnehmung der eigenen Person in der Öffentlichkeit. Peter Müller (CDU), ehemaliger Ministerpräsident des Saarlandes, sprach in Bezug auf diese Entwicklung davon, dass „es ja in der Politik schließlich auch um die Herausforderung gehe, Mehrheiten zu erringen“ und deshalb Politik „legitimes Theater“ sei. Eine möglichst gelungene Inszenierung der eigenen politischen Positionwird heutzutage nicht mehr nur mit Argumenten erreicht; der Akteur benötigt vielmehr ein möglichst hohes Maß an Expressivität und Visibilität. Die Aufmerksamkeit sichernde Pointe oder ein auflockernder Witz, vereinfachende Beispiele oder rhetorische Finessen sind nötig, um das Publikum zu fesseln, Eindruck zu hinterlassen und so die eigene politische Sicht zu vermitteln und zu legitimieren. Der politische Akteur muss also neben der politischen auch eine medial-stilistische Kompetenz besitzen, um in der Sphäre des „Infotainment“ bestehen zu können. Politik kann im Zeitalter der Visualisierung erst gelingen, wenn sein auf ästhetischer und kommunikativer Ebene das Publikum anspricht.

Legitimation durch Inszenierung?

Kritiker dieser Ansicht würden an dieser Stelle hervorheben, dass das Phänomen der politischen Inszenierung in keiner Weise erst mit dem Beginn des Informationszeitalters in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden ist. Zu allen Zeiten wurde Politik nicht nur „gemacht“, sondern auch vermittelt – Macht und Herrschaft wurden stets mit Hilfe der jeweils zur Verfügung stehenden Medien ausgeübt. Machtinhaber haben sich durchweg symbolischer und symbolisierender Politik bedient, um ihre Herrschaftssysteme zu erhalten. Gelungene symbolische Politik ist zwar eine Voraussetzung für politischen Erfolg, zugleich aber auch eine Notwendigkeit, um den Bürgern komplexe politische Inhalte vereinfacht und realitätsnah zu vermitteln. Kurz: Politik benötigt die Begründung und Rechtfertigung politischer Prozesse und sie muss kommunikativ legitimiert werden. Diese Art der Politikvermittlung ist eine der Pflichten demokratisch gewählter Politiker, wenngleich sie oft aus Kalkül zu einer Emotionalisierung der Politik benutzt wird – der Grad zwischen pflichtbewusster, symbolischer Vermittlung komplexer politischer Sachverhalte und der Mobilisierung von Emotionen zum eigenen Nutzen ist schmal.

Das ausschließlich auf Medienlogik basierende Legitimitätsverständnis politischer Akteure steht in einer stärker werdenden Diskrepanz zum verfassungsrechtlichen Institutionsgefüge der Bundesrepublik. Die Auffassung vieler Politiker, dass ihre Politik vornehmlich durch mediale Inszenierung legitimiert werden könne, führt zu einer Legitimationsfalle des demokratischen Systems. Wenn ein so bedeutender Politiker wie (der damalige Kanzler) Gerhard Schröder sagt er brauche „zum Regieren […] nur Bild und die Glotze“, verheißt dies für den Stellenwert demokratisch-institutioneller Prozesse nichts Gutes.

 

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