die politik der deutschen fußball liga – mittels marktregulierung auf der erfolgsspur

von Frank Rosenbrock

Ursachenforschung: Bundesligateams – zuhause top, in Europa ein Flop

Die Leistungsdichte in der Fußball-Bundesliga ist im europäischen Vergleich überaus hoch. Kein Spiel ist im Vorfeld entschieden. Jede Mannschaft hat eine realistische Siegchance. Auch der Branchenprimus FC Bayern München ist keinesfalls unschlagbar, wie die aktuelle Saison erneut eindrucksvoll bestätigt. Entsprechend begeistert, äußern sich regelmäßig Beobachter des deutschen Profifußballs und adeln die Bundesliga als spannendste Liga Europas. Selbst die englische Zeitschrift „The Guardian“ titelte kürzlich „How the Bundesliga puts the Premier League to shame“, und verwies unter anderem auf die hohe Qualität aller deutschen Profivereine. In England, Spanien und Italien sind die Profiligen von einer solchen Ausgeglichenheit weit entfernt. Nur selten setzen sich dort die kleinen Vereine gegen die großen Mannschaften durch. Das Gefälle ist schlichtweg zu groß.

Die Begeisterung über die Leistungsdichte in der Bundesliga wird jedoch nicht von allen geteilt. Kritiker merken an, dass die Homogenität im deutschen Profifußball auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit der großen deutschen Vereine im europäischen Vergleich geht. Die zuletzt erzielten Resultate in der höchsten europäischen Spielklasse – der Champions League – bestätigen, dass die deutschen Top-Mannschaften den Anschluss an die europäische Spitze verloren haben. Mittlerweile ist es neun Jahre her, dass mit dem FC Bayern München ein deutsches Team den Wettbewerb der besten Mannschaften Europas gewinnen konnte. Und nach dem Finaleinzug von Leverkusen im Jahr 2002 ist es mit Ausnahme der letzten Spielzeit keiner deutschen Mannschaft mehr gelungen, in ein Halbfinale der Champions League vorzudringen. Den Kampf um die begehrteste Fußballkrone Europas haben die großen Mannschaften aus England, Spanien und Italien stets unter sich ausgetragen. Der Grund des Leistungsgefälles zwischen deutschen und anderen europäischen Großvereinen ist das enorme finanzielle Ungleichgewicht. Den deutschen Top-Vereinen stehen im Vergleich zu den großen Vereinen aus England, Italien und Spanien deutlich weniger Gelder zur Verfügung. Entsprechend können sie im Rennen um die besten Spieler der Welt nicht mithalten. Die Ursache wirtschaftlicher Unterschiede wird in der Politik der DFL gesehen, die mittels marktregulierender Instrumente bestimmte Geldquellen für die deutschen Vereine verschlossen hält. Diese Instrumente sind zum einen die sogenannte 50+1 Regel und zum anderen die Zentralvermarktung der TVRechte durch die DFL. Um in der Champions League wieder wettbewerbsfähig zu sein, fordern daher nicht wenige, diese Regelungen abzuschaffen.

Dass die nationale Marktregulierungspolitik der DFL die internationale Wettbewerbsfähigkeit der großen deutschen Mannschaften in den vergangenen Jahren beeinträchtigt hat, ist unstrittig. Doch rechtfertigt es die Abschaffung dieser Regelungen? Anders gefragt: Ist auch in Zukunft davon auszugehen, dass die Regulierung des nationalen Marktes finanzielle Ungleichheiten zwischen deutschen und europäischen Top-Teams produziert und damit auf Erfolge in der Champions League zu verzichten ist? Dies ist keineswegs der Fall! Vielmehr sind Entwicklungen zu erkennen, die eindeutig auf eine wirtschaftliche Angleichung deutscher und europäischer Spitzen-Vereine hindeuten. Und diese Entwicklungen geschehen nicht trotz der 50+1 Regel und der Zentralvermarktung der TV-Rechte, sondern gerade wegen dieser Regelungen.

Die Eckpfeiler: 50+1 Regel und Zentralvermarktung

Die 50+1 Regel und die Zentralvermarktung der TV-Rechte durch die DFL bilden das Fundament, welches die Leistungsdichte in den deutschen Profiligen garantiert. Unter der 50+1 Regel ist eine in den Statuten der Deutschen Fußball-Liga verankerte Regelung zu verstehen, die den „fairen Wettbewerb zwischen den Bundesligavereinen ermöglichen“ soll. Danach erhält ein Verein nur die Lizenz, wenn „50 Prozent zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteils in der Versammlung der Anteilseigner“ der „Mutterverein“ innehat. Mit dieser Regelung wird verhindert, dass finanzstarke Investoren die Kontrolle über die Profimannschaften übernehmen. Die sportlichen Interessen der Vereine sollen weiterhin Vorrang vor einzelwirtschaftlichen Interessen haben. In den anderen führenden europäischen Ligen existiert eine entsprechende Regel nicht. Dort, insbesondere in England, haben in den letzten Jahren zunehmend externe Geldgeber die Kontrolle in den Vereinen übernommen. Bekannteste Beispiele sind Chelsea London und Manchester City. Beide Vereine haben mit Hilfe ihrer Investoren viele hundert Millionen Euro in neue Spieler investiert.

Die zweite Regelung, die Zentralvermarktung der TV-Rechte durch die DFL, bezieht sich auf das Recht der DFL, die TV-Rechte an den Profiligen des deutschen Fußballs selbst zu vermarkten und die daraus erzielten Einnahmen an die Bundesliga-Vereine weiterzugeben. Die Verteilung der Gelder erfolgt nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel. Dieser Schlüssel sieht im Wesentlichen eine Verteilung der Erlöse im Verhältnis von 79:21 zwischen 1. und 2. Bundesliga sowie eine leistungsabhängige Komponente vor, welche die Endplatzierungen der vergangenen drei Spielzeiten berücksichtigt. Zweck der Zentralvermarktung ist es, eine Einzelvermarktung der Vereine zu verhindern, da dies zu einer ökonomischen Spreizung zwischen den Vereinen innerhalb der Profiligen führen würde. Mannschaften mit großem Fanpotenzial würden bei der Einzelvermarktung deutlich mehr Geld generieren als Vereine mit wenigen Anhängern. Die Beispiele Spanien und Italien zeigen, in welche Richtung die Entwicklung gehen könnte. Dort erhalten wenige Vereine den Großteil der TV-Gelder. Kleinere Vereine, denen es nicht gelingt Verträge mit TV-Sendern abzuschließen, gehen nahezu leer aus. Die Folge ist ein enormes Leistungsgefälle zwischen den Teams.

Die Bundesliga auf dem Vormarsch

Vergleicht man die Umsatzzahlen der Fußball-Bundesliga mit den höchsten Spielklassen der anderen großen europäischen Ligen, entsteht ein interessantes Ranking. Hierbei rangiert die Bundesliga mit einem Umsatz von 1,6 Milliarden Euro (Stand: Saison 2008/09) auf Platz 2 hinter der englischen Premier League (2,3 Mrd.) und damit vor den Ligen aus Spanien (1,50 Mrd.) und Italien (1,49 Mrd.). Bemerkenswert sind insbesondere die Umsatzsteigerungen der Ligen. Hier liegt die Bundesliga mit 10 Prozent Zuwachs zum Vorjahr deutlich vor den Ligen aus England, Spanien und Italien. Zurückzuführen ist diese Entwicklung vor allem auf die hohen Zuschauerzahlen in den deutschen Stadien und die sich daraus ergebenden ökonomischen Folgeeffekte, wie zum Beispiel steigende Werbeeinnahmen. Während die anderen Ligen ihre Zuschauerzahlen kaum steigern konnten, ist in der Bundesliga in den letzten Jahren ein regelrechter Boom entstanden. Mittlerweile verzeichnet das Oberhaus des deutschen Fußballs einen Zuschauerschnitt von weit über 40.000 Besuchern pro Spiel. Einen Wert, den andere Ligen nicht ansatzweise erreichen. Für den Ex-Trainer des Hamburger SV, Martin Jol, ist diese Entwicklung leicht erklärbar: „Die Bundesliga ist in der Breite viel besser besetzt als beispielsweise die Premier League in England. Jedes Spiel ist hier ein Abenteuer, man kann nie vorhersehen, was passiert. Es kommt keine Langeweile auf, deswegen kann die Bundesliga auch mit so exzellenten Zuschauerzahlen aufwarten.“ Diese Entwicklung des gesamten deutschen Profifußballs wirkt sich auch positiv auf die großen Vereine in Deutschland aus, die die monetäre Lücke zu den großen Klubs der anderen Ligen wieder verringern, wenn auch noch nicht schließen können. Ein Blick auf die Rangliste der umsatzstärksten Vereine Europas verdeutlicht diesen Trend. Zwar sind dort unter den „Top 10“ die großen Vereine aus England, Spanien und Italien und damit die Vereine, die die Champions League in den letzten Jahren dominierten, zu finden. Einzig der FC Bayern München taucht regelmäßig unter den ersten 10 dieser Rangliste auf. Jedoch zeichnet sich eine Entwicklung ab, wonach die deutschen Vereine kontinuierlich aufholen. In der Spielzeit 2008/09 waren erstmals fünf deutsche Vereine unter den 20 umsatzstärksten Vereinen Europas vertreten.

Break-Even-Rule: Marktregulierung auf europäischer Ebene

Die enorme wirtschaftliche Ungleichheit, die zwischen den Vereinen besteht, ist jedoch durch die Umsatzzahlen allein nicht hinreichend zu erklären. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die 50+1 Regel im englischen, spanischen und italienischen Fußball nicht existiert und dadurch Investoren und andere Geldgeber regelmäßig Geld in die Vereine „pumpen“. Die Bundesliga-Vereine, die aufgrund der 50+1 Regel für Investoren unattraktiv sind, sind dadurch wirtschaftlich abgehängt. Sie können die horrenden Ablösesummen und Gehälter, die durch Geldgeber auf dem Markt entstehen, nicht bezahlen und sind im Rennen um die besten Spieler meist gar nicht mehr vertreten. Die Außerkraftsetzung des Wettbewerbs nach gleichen Spielregeln, die solche Investitionen darstellen, hat jedoch die UEFA zum Handeln veranlasst. Ab der Spielzeit 2012/13 wird die sogenannte Break-Even-Rule in Kraft treten, wonach ein Verein nicht mehr ausgeben darf als er erwirtschaftet. Bei einem Verstoß gegen die Regel droht der Ausschluss aus dem europäischen Wettbewerb.

Die Break-Even-Rule bedeutet die Wiederherstellung des Wettbewerbs unter gleichen Bedingungen, denn sie führt dazu, dass die Umsatzstärke eines Vereins die einzige Größe ist, nach der sich seine Finanzkraft bemisst. Horrenden Ablösesummen und Gehältern werden damit deutliche Grenzen gesetzt. In Zukunft wird es darauf ankommen, mit dem erwirtschafteten Geld eine kluge Transferpolitik zu betreiben. Für die deutschen Vereine ist dies ein relativer Vorteil, da sich für sie nichts verändert. Zudem sind sie wirtschaftlich vergleichsweise gut aufgestellt. Auch der im europäischen Raum zu erwartende Rückgang der Spielergehälter wird sich zum Vorteil für die deutschen Vereine auswirken. Das Kriterium „Gehaltshöhe“ verliert bei der Vereinswahl der Spieler relativ an Gewicht, während andere Faktoren relativ an Bedeutung gewinnen. Hier hat die ausgeglichene Bundesliga mit den modernen, zumeist voll besetzten Stadien einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Die Politik der DFL hat sich ausgezahlt. Anstatt sich der Kurzatmigkeit hinzugeben hat man Ruhe bewahrt und die Nachhaltigkeit der Regulierungsinstrumente nicht aus den Augen verloren. Die Früchte dieser Politik werden schon bald zu ernten sein. Die Ausgeglichenheit in der Bundesliga bleibt erhalten und die Erfolge in der Champions League werden Jahr für Jahr zunehmen. So könnte die Schlagzeile 2020 lauten: Bundesligavereine dominieren die Champions League!

Frank Rosenbrock

ist Masterstudent an der NRW School of Governance und Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Dr. Karl-Rudolf Korte. Er absolvierte ein Auslandssemester an der Rutgers University in New Jersey und Praktika im Bereich des Journalismus und bei der SPD im Landtag Nordrhein-Westfalens. Im Laufe seines Studiums hat er sich zunehmend auf Fragen zur politischen Kultur und zur politischen Partizipation spezialisiert.