drei fragen an … weihbischof jaschke

Herr Jaschke, braucht es in der Politik überhaupt noch ethische Maßstäbe?

„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ hat sich unser Volk das Grundgesetz gegeben. „Die Würde des Menschen ist unantastbar…“. Große Worte bilden die Präambel und den ersten Satz des Art. 1 unserer Verfassung. Vor dem Hintergrund der Katastrophe des Nationalsozialismus, die Erfahrung im Rücken, wie der Wahn einer Weltanschauung in den Abgrund führt, die sich einer „Herrenmoral“ rühmen will, haben die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes zu aller erst den moralischen, ethischen Grund benannt, der eine humane Rechts- und Lebensordnung bestimmen muss: Grundprinzipien, die in sich gültig bleiben, die jeder menschlichen Ordnung vorgegeben sind. Sie haben an Gottes Gebot und die Unantastbarkeit des Menschen erinnert.

Ethik gewinnt Gestalt im konkreten Recht, das Maß nimmt an der Gerechtigkeit, in Gesetzen und Regelungen, die der Verantwortung und der Würde des Menschen entsprechen. Kluge Menschen erinnern uns daran, dass unsere Gesellschaft auf Grundlagen ruht, die sie gar nicht selber geschaffen hat, auf dem Erbe einer humanen Kultur, auf Einsichten und Traditionen, die selbstverständlich sind und uns gut tun. Darauf hat auch der Papst in seiner Rede vor dem Bundestag eindringlich hingewiesen, besonders auf das Maß der Gerechtigkeit. Solche ethischen Grundgewissheiten bilden ein „Naturrecht“, kein verfasstes Recht, aber Rechte und Pflichten, eingeschrieben in die Herzen der Menschen an allen Orten und zu allen Zeiten, mächtiger als viele schriftliche Regelungen, bei denen immer Auswege möglich bleiben.

Mit der persönlichen Moral der politisch Handelnden ist das so eine Sache. Jeder Mensch hat seine Schwächen. Er soll nicht gnadenlos ausgeleuchtet werden. Aber wer sich öffentlich vergeht, muss klar die Konsequenzen tragen. Meine Meinung: Politiker und Politikerinnen sollten als Ehemänner und Ehefrauen ein ordentliches Beispiel geben. Muss ich Namen nennen…?

Welche Instanz in unserer modernen Gesellschaft kommt ihrer Meinung nach noch die Rolle eines ‚Ethikwächters‘ zu?

Ethik bleibt immer unser aller Aufgabe: in den Familien, in der Ausbildung junger Menschen, in den Einrichtungen der Gesellschaft, in Kultur und Wissenschaft, in allen Bereichen der Wirtschaft, in der Polizei, in der Bundeswehr. Eine hohe Bedeutung haben die Medien. Sie müssen aufmerksame, kritische Wächter sein. Die Regierungen und andere Einrichtungen rufen Ethikkommissionen zusammen, Runde Tische zu den großen Fragen: Schutz des Lebens, Lebensschutz für Embryos, Atomenergie… Den christlichen Kirchen mit ihren starken Traditionen und weit über 60 Prozent Anteil an der deutschen Bevölkerung kommt natürlich ein herausragender Platz als Ethikwächter zu. Selber unter dem Druck hoher Erwartungen und auch tief beschämt durch Versagen in ihren Reihen, lassen sie nicht nach, zu sprechen und zu mahnen, klar und laut: über die Unantastbarkeit eines jeden Menschen, über Armut und Not im reichen Deutschland, über unverantwortliche Ausbeutung der armen Länder und ihrer Ressourcen, über die Vernichtung von Getreide und Nahrungsgüter für den Energiehunger der Reichen, mit der Folge, dass der Hunger der Armen ins Endlose wächst. Ohne Ethik verkommt die Erde zu einer Räubergesellschaft.

Wünschen Sie sich eine Partei, vielleicht sogar eine neue, die stärker auf die Religion als orientierende Kraft setzt?

Gut, dass in der CDU, SPD, bei der FDP und den Grünen – andere Parteien übergehe ich mit Schweigen und Empörung – Christen unsere Sache verfechten. Natürlich kommt der CDU/CSU eine besondere Verpflichtung zu. Sie muss ihrem Name Ehre machen. Mit Kirchenparteien haben wir aber keine guten Erfahrungen gemacht. Christen sollen sich in den demokratischen Parteien einsetzen, sich zusammentun, für die Sache der Kirche kämpfen. Die Kirche betreibt Lobbyarbeit, so wie eine Demokratie sie nötig hat, das Christliche zur Geltung zu bringen. Mein Wunsch: Die CDU/CSU soll nicht vergessen, woher sie kommt und was in ihren Programmen steht. Immer will ich an die Wählerinnen und Wähler appellieren: Wählen Sie Personen und Parteien die einer Ethik im Sinne des Christentums dienen.

Die Fragen stellte die Chefredaktion