drei fragen an…wolfgang zimmermann

Herr Zimmermann, wie sich bereits nach den ersten Landtagswahlen des Superwahljahres 2011 gezeigt hat, bedeutet das „fluide Funfparteiensystem“ mit unsicheren Koalitionen eine besonders große Herausforderung für alle Parteien. Welche Rolle spielt DIE LINKE in diesem „fluiden Fünfparteiensystem“, hat sie sich bereits fest verankern können und über welche neuen Koalitionsstrategien muss unter diesen erschwerten Bedingungen nachgedacht werden?


In den meisten Landtagen existieren klare Mehrheitsverhältnisse. Nordrhein- Westfalen stellt hier jedoch eine Ausnahme dar. Die Koalitionsfrage stellt sich zurzeit nicht. Wir versuchen, so viele Vorstellungen wie möglich aus unserem Landtagswahlprogramm durchzusetzen. Parlamentarisch geht das bei 5,6 Prozent nur, wenn andere Fraktionen mitziehen. Das sind in der Regel SPD und Grüne, weil mit ihnen – zumindest auf dem Papier – die meisten Schnittmengen vorhanden sind. Ich bin allerdings der Auffassung, dass grundlegende gesellschaftliche Veränderungen nur durchgesetzt werden können, wenn die von diesem kapitalistischen Wirtschaftssystem betroffenen Menschen – abhängig Beschäftigte, Erwerbslose, Rentnerinnen, die Jugend etc. – mit ihren Organisationen, Verbänden und Initiativen Widerstand in den Betrieben und auf der Straße organisieren. Wir sind nach wie vor die einzige Partei, die konsequent neoliberale Politik ablehnt und ausschließlich im Interesse der o.a. Bevölkerungsgruppen agiert. Wir wollen keine Stellvertreterpolitik für diese Menschen machen, sondern mit ihnen gemeinsam
einen Politikwechsel vorantreiben. DasParlament muss daher auch als Tribünefür die außerparlamentarischen Bewegungendienen. Aus diesen Gründengeht es nicht um wie auch immer gearteteKoalitionsstrategien, sondern umZusammenarbeit mit allen Parteien bzw.Fraktionen, wenn diese bereit sind, imInteresse dieser Gruppen zu handeln.Seit die SPD auf der Bundesebene in derOpposition ist, versucht sie, verbal unsereThemen zu besetzen und darüberhinaus geringfügige Korrekturen an der Agenda- und Hartz-Politik vorzunehmen, ohne die Schröder-Politik grundlegend in Frage zu stellen. Trotzdem zeigt diese Politik Wirkung, da wir offenbar bei Teilen der Bevölkerung nicht mehr alleine als Partei für die sozial Benachteiligten wahrgenommen werden.

Über Ihre Partei wird in den Medien häufig geschrieben, sie befinde sich weiterhin in einer Inhaltsdebatte über eine klare programmatische Richtung. Wie hinderlich ist diese Unsicherheit innerhalb der LINKE für eine sichere Positionierung als Koalitionspartner auf Bundes- sowie auf Landesebene?

Wir befinden uns nicht in einer programmatischen Debatte, weil wir über keine klare Positionierung verfügen, sondern weil die programmatische Orientierung von Parteien ein kontinuierlicher Prozess sein muss. Das hat nichts mit Unsicherheit zu tun. Hinderlich für eine Koalitionsbildung ist z. B. in NRW, dass wir die Partei nicht am Gängelband der Fraktion sehen wollen. Die Fraktion ist Teil der Partei. Deshalb entscheiden bei uns nicht die Abgeordneten allein, sondern alle Mitglieder über die grundlegenden Fragen. Diese Form der Demokratie ist SPD und Grünen ein Dorn im Auge. Die Partei und die Landesverbände müssen eigenständig agieren können, unabhängig davon, ob sie mit einer Fraktion im Parlament oder auch in einer Regierung vertreten sind. Da haben wir eindeutig ein anderes Politikverständnis als diese beiden Parteien.

In diesem Zusammenhang scheint DIE LINKE zudem im Osten der Republik als Volkspartei, im Westen weiterhin als eine Art Interessenpartei wahrgenommen zu werden. Herr Zimmermann, wie groß sind diese Unterschiede zwischen Ost- und West-LINKE wirklich, und welche Verantwortung haftet an Ihrer Position als LINKE Fraktionsvorsitzender in Nordrhein Westfalen?

Was ist eine Volkspartei? Meiner Meinung nach kann eine Partei nicht das gesamte Volk vertreten. Die Interessen der verschiedenen Schichten und Gruppen in der Bevölkerung sind unterschiedlich, teilweise diametral entgegengesetzt. Wir sind die Partei der sozialen Gerechtigkeit, die mit den abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen, Rentnerinnen und Rentnern und allen sozial Benachteiligten deren Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern und letztlich eine demokratisch-sozialistische Gesellschaft als Alternative zum Kapitalismus aufbauen wollen. Das kann nicht im Interesse der Reichen, Wohlhabenden und Aktienbesitzer von großen Unternehmen und Konzernen liegen. In den östlichen Bundesländern haben wir aufgrund der Geschichte und der Ausplünderung der neuen Länder eine größere Akzeptanz. In den westlichen Bundesländern ist die Situation aufgrund der antikommunistischen Tradition eine völlig andere. Das abschreckende Bild einer pseudosozialistischen Gesellschaft hat tiefe Spuren hinterlassen. Das macht es für eine linke Partei schwierig, Gehör zu finden. Meine Aufgabe als Fraktionsvorsitzender besteht darin, die Politik unserer Fraktion nach außen zu vertreten und deutlich zu machen, dass wir die einzige Partei sind, die konsequent im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung und vor allem mit ihr Politik macht.

Wolfgang Zimmermann ist seit dem 9. Juni 2010 Abgeordneter des Landtags Nordrhein-Westfalen und seit Juni 2010 Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Landtag. Seit 1974 Gewerkschaftsmitglied, derzeit der Gewerkschaften ver.di und IG BAU.