Emotionaler Totalschaden?

Emotionaler Totalschaden? – Der Kommunalwahlkampf 2014 der CDU in Duisburg.

Man stelle sich folgende Situation vor: eine Partei, die seit geraumer Zeit einer eher schwierigen politischen Existenz frönt, macht es sich zum Ziel, mit der nächsten Wahl wieder die Gunst der Wähler zurückzugewinnen – und sucht sich dafür eine gesellschaftlich höchst kontrovers diskutierte Angelegenheit als Wahlkampfthema aus. Mutig, könnte man meinen. Gleichzeitig jedoch auch höchst riskant und taktisch unklug, insbesondere dann, wenn die Kontroverse noch mit einer Prise Provokation gespickt wird. Bei der Kommunalwahl 2014 setzte der CDU-Kreisverband in Duisburg genau auf diese wahlkampftechni-sche Emotionensynthese – und scheiterte kläglich. Eine Einschätzung

Emotionaler Totalschaden?

Es ist noch nicht allzu lange her, da stand Duisburg bundesweit in den Schlagzeilen. Im Juli 2010 starben 21 Menschen  bei der zu diesem Zeitpunkt in der Stadt ausgetragenen Loveparade. Was sich in den darauffolgenden Wochen, Monaten und Jahren auf politischer und Verwal-tungsebene in Duisburg abspielte, war eine Schlammschlacht par excellence. Noch immer ist nicht geklärt, wann und ob überhaupt der Strafprozess gegen die zehn von der Staatsanwaltschaft ermittelten mutmaßlichen Verantwortlichen eröffnet wird. Viele Duisburger machten vor allem den von der CDU gestellten Oberbürgermeister Adolf Sauerland für die Katastrophe verantwortlich, der bis zu seiner Abwahl durch einen Bürge-rentscheid im Jahr 2012 eine Mitschuld an dem Unglück stur bestritt. Ob nun lediglich Sündenbock oder tatsächlich mitverantwortlich – Adolf Sauerlands Verhalten hat das Vertrauen der Duisburger Bürger in den CDU-Kreisverband tief erschüttert. Der Kommunalwahlkampf 2014 sollte das magere Sympathiekonto der Duisburger CDU deshalb wieder aufstocken. Sie wollte sich wieder als Volkspartei verstanden sehen, die sich um die Interessen, Wünsche und Probleme ihrer Bürger kümmert.

Zu den zentralen Wahlkampfthemen gehörten daher klassischerweise von der CDU beherrschte Themenfelder wie wirtschaftliche Entwicklung, Verkehr, Ordnung, Sauberkeit – und, nun ja, Zuwanderung. An dieser Stelle kommt das zu Beginn  bereits angesprochene explosive Gemisch aus Kontroverse und Provokation ins Spiel. Unter dem Slogan „Missstände  beenden! Duisburg kann besser“ zeigte die Partei auf einem ihrer Wahlplakate den bundesweit als „Problemhaus von  Duisburg“ bekannt gewordenen Wohn- block „In den Peschen“ in Duisburg-Rheinhausen, welcher zum traurigen Sinnbild der Duisburger Zuwanderungspolitik geworden ist. Auf engstem Raum hausten dort bis zum Sommer 2014 mehrere hundert Armutsflüchtlinge, die meisten aus Rumänien und Bulgarien, was zu teilweise chaotischen Wohnverhältnissen führte und die Gemüter der Duisburger Bürger erhitzte. Die CDU als selbsternannte Volkspartei sah es deshalb als ihre Pflicht an, das Thema Zuwanderung offen und deutlich anzusprechen, um den rechten Parteien erst gar keine Angriffsfläche für ihre Parolen zu bieten.

So weit so plausibel, wäre da nicht dieses  besagte Wahlplakat gewesen. Die politische Konkurrenz zeigte sich entrüstet und warf der CDU „rassistische Hetze“ vor, da das Foto des Wohnblocks veraltet gewesen sei und nicht mehr den aktuellen Begebenheiten entspräche. Das enorme Medienecho und die Empörung von Bürgern und politischer Konkurrenz über das Plakat hatten schließlich zur Folge, dass sich eine emotional gesteuerte Aufmerksamkeit auf die Zuwanderungs-thematik entwickelte, wodurch die Duis burger CDU beim Kommunalwahlkampf 2014 in erster Linie auf diesen Teil ihres  Wahlprogramms reduziert wurde. Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, die im Wahlprogramm der Partei einen weitaus größeren Stellenwert einnahm als das Thema Zuwanderung, geriet ins  Wahlkampf-Abseits. Das schlussendliche Wahlergebnis überraschte demnach wenig: der CDU-Kreisverband Duisburg erzielte sein schlechtestes Ergebnis seit dem Ende des zweiten Weltkriegs und musste selbst in den Stadtteilen, die als CDU-Hochburgen galten, einen massiven Stimmverlust hinnehmen.

Emotionen zu zeigen und Emotionen auszulösen, um die Aufmerksamkeit der  Wähler zu gewinnen, hat im politischen Geschehen in Zeiten einer immer größer werdenden Präsenz von Politikern auf allen medialen Kanälen und einer sich gleichzeitig zunehmend verfestigenden Politikverdrossenheit in hohem Maße an Bedeutung gewonnen. Dabei ist es unbedingt erforderlich, sich in den Wähler hineinzuversetzen und zu verstehen, was ihn beschäftigt. Nur so ist es möglich eine Wahlkampfstrategie zu entwickeln, durch die sich die Bürger wirklich ange-sprochen und verstanden fühlen.

Die Duisburger CDU setzte auf Kontroverse und Provokation – und verlor. Sie verlor, weil eine Partei, die seit dem Loveparade-Unglück ohnehin wenig Popularität im Stadtgebiet genießt mit einer Kampagne, die sie gefährlich leicht an den rechten Rand des politischen Spektrums rücken ließ, gefundenes Fressen für alle Kritiker war. Sie verlor, weil sie für die  Wähler unbedingt wieder als Volkspartei präsent sein wollte, die sich kümmert. Es gelang ihr jedoch nicht, zu verstehen, was die Wähler von ihren Volksvertre-tern erwarteten. Vier Jahre sind zudem deutlich zu kurz, um den emotionalen Schock, in den die Loveparade-Katastrophe die Duisburger versetzt hat und die  Wut auf Politik, Verwaltung und Veran-stalter zu verarbeiten. Außerdem lässt sich an der CDU-Wahlkampagne exemplarisch nachverfolgen, wie heutzutage auch die Medien eine emotionale Dyna-mik auslösen und stimulieren können. Die medialen Rechtfertigungen des kon-troversen Wahlplakats durch Duisburger CDU-Vertreter erschienen im Kontext des negativen Medienechos scheinheilig und unglaubwürdig. Medien und Bürger haben in wechselseitiger Beeinflussung ein Urteil über die CDU gefällt, was sich schließlich mehr als deutlich im Wahlergebnis spiegelte.

Wie die Duisburger CDU wohl abgeschnitten hätte, wenn sie sich stärker auf positive Gefühle wie die des wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Aufschwungs konzentriert hätte? Mit einer stärkeren medialen Thematisierung der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt Duisburg, die eigentlich ohnehin ihr zentrales Wahlkampthema war, wäre dies möglich gewesen. Sicherlich käme sie nicht an ihre Glanzzeiten heran, aber sie hätte sich zumindest diesen neuerlichen Imageschaden und Vertrau-ensverlust ersparen können, den ihr die Kommunalwahl 2014 eingebracht hat. Die Thematisierung der Zuwanderungsproblematik war kein falscher Ansatz der CDU Duisburg, aber ihr Emotionenmanagement war äußerst ungeschickt. Ist der Kommu-nalwahlkampf 2014 der Duisburger CDU damit ein emotionaler Totalschaden? Er hat zumindest mehr als eine kleine emotionale Delle verursacht.