fußballvereine in finanznot – müssen jetzt die städte helfen?

Ein durch Missmanagement in den Führungsetagen finanziell angeschlagener Fußballverein der ersten, zweiten oder dritten Bundesliga wendet sich, um eine drohende Insolvenz abzuwenden, an seine Stadt. Von ihr erhofft er sich Kredite, Bürgschaften oder direkte finanzielle Hilfen. So ist es bereits in Gelsenkirchen, Kaiserslautern, Aachen, Bielefeld und vielen anderen Städten in Deutschland geschehen. Die Vereine sind häufig durch überdimensionierte Stadionneu oder -umbauten in finanzielle Schwierigkeiten geraten und sehen dann in der finanziellen Hilfe durch ihre jeweiligen Städte den einzigen Ausweg, um noch eine Lizenz für ihre Liga zu erhalten und einem Zwangsabstieg in die unteren Amateurligen zu entgehen.

von Jonas Brandhorst

Aachen, Gelsenkirchen, Kaiserslautern…keine Einzelfälle

Alemannia Aachen, ein Fußballverein aus der zweiten Liga, geriet durch seinen Stadionneubau in große finanzielle Schwierigkeiten und stand kurz vor der Insolvenz. Diese konnte letztendlich nur durch eine Bürgschaft der selbst mit 60 Millionen Euro hoch verschuldeten Stadt verhindert werden. Der Aachener Stadtrat stimmte einstimmig mit zwei Enthaltungen für die Ausfallbürgschaft in Höhe von 3 Millionen Euro für 2010 und 2,5 Millionen Euro für 2011. Ein weiteres Beispiel ist Gelsenkirchen. Der Fußballverein FC Schalke 04 war durch die hohen Ausgaben für sein neues Stadion, die Schalke Arena, und den hohen Spieleretat in eine erhebliche finanzielle Schieflage geraten. In seiner Not wandte sich das Management des Fußballvereins an die selbst hoch defizitäre Stadt Gelsenkirchen mit 358 Millionen Euro Schulden auf dem eigenen Konto. Da die Stadt den Fußballverein aus rechtlichen Gründen nicht direkt finanziell unterstützen konnte, sprangen die örtlichen Stadtwerke ein und kauften für 20,5 Millionen Euro Anteile an der Arena auf Schalke. Noch dramatischer waren die Umstände in Kaiserslautern. Dort konnte der hoch verschuldete Fußballverein 1.FC Kaiserslautern 2003 nur durch den Verkauf des vereinseigenen Fritz-Walter-Stadions für 56 Millionen Euro an eine eigens gegründete städtische Stadiongesellschaft gerettet werden. In Bielefeld aber auch in Essen entschied der Stadtrat hingegen gegen finanzielle Hilfen für die Fußballvereine Arminia Bielefeld und Rot-Weiß Essen. Den Lokalpolitikern der beiden Städte war es offensichtlich zu riskant, ihren defizitären Fußballvereinen Darlehen zu gewähren.

Die Politik entscheidet

Die einzelnen Beispiele zeigen, wie stark die Politik und hier vor allem die Kommunalpolitik mit dem Sport verflochten ist und welche Auswirkungen politische Entscheidungen auf den Sport haben können. Aber wie ist nun die hoch umstrittene Entscheidung für finanzielle Hilfen der Städte zu bewerten? Die Frage, ob man einen Fußballverein vor der Insolvenz retten sollte oder nicht, ist nicht einfach zu beantworten und sicherlich auch einzelfallspezifisch zu bestimmen. So gibt es viele Argumente dafür, aber auch dagegen. Sicher ist hingegen, dass sich die Hilfe der Städte nicht generell, wie häufig in den Medien geschehen, verteufeln lässt. Anstatt Hilfen von vorneherein zuzustimmen oder abzulehnen und sich zu stark am Stimmungsklima in der Bevölkerung oder den Medien zu orientieren, sollten die Politiker eine nüchterne Kosten-Nutzen-Rechnung vornehmen. Sie müssen das Risiko finanzieller Hilfen abwägen und sich vor allem die folgende Frage stellen: Was ist schlimmer, die Insolvenz mit allen auch jetzt schon erkennbaren Kosten für die Stadt oder die Finanzhilfe für den Verein? Außerdem gilt es dem enormen Druck der Fans und Vereinsfunktionäre auf der einen Seite und den Gegnern von finanziellen Hilfen auf der anderen Seite stand zu halten.

Welche Folgen sind also bei einer Insolvenz für die Stadt und ihre Bürger zu erwarten?

Erstens muss man bedenken, dass bei der Insolvenz eines Fußballvereins, einhergehend mit einem Abstieg in die unteren Amateurligen, die überdimensionierten Stadien der Vereine leer stehen würden. Dies hätte zur Folge, dass die Städte für den Unterhalt und die Verkehrssicherung aufkommen müssten. Zweitens handelt es sich bei den Fußballvereinen um mittelständische Unternehmen. Bei einer Insolvenz wären direkte und indirekte Arbeitsplatzverluste und somit erhebliche Steuerausfälle die Folge. Nicht nur die Angestellten des Vereins, sondern auch etwa die in der Nähe der Stadien liegenden Restaurants, Bars und Hotels leben größtenteils von den tausenden Fußballfans, die am Wochenende zu den Spielen kommen. Hinzu kommen die zahlreichen Dienstleister eines Fußballvereins. Angefangen bei den Werbeagenturen bis hin zu den Handwerkern, deren wichtigster Auftraggeber bei einer Insolvenz wegfallen würde. Drittens haben viele Fans in die Vereine investiert. In Bielefeld etwa mit der Aktion „Bau auf Blau“, wo Fans die Möglichkeit hatten, Teile am Stadion zu erwerben. Und auch in Dortmund konnten die Fans Aktien des Vereins kaufen. In beiden Fällen würde der ‚Lehman-Brothers-Effekt‘ eintreten, die Papiere wären von einem auf den anderen Tag bei einer Insolvenz wertlos. Dies würde viele Kleinanleger treffen. Viertens würde ein wichtiger oder häufig sogar, wie etwa in Gelsenkirchen, der wichtigste Imagefaktor einer Stadt wegfallen. Ein Fußballverein der ersten oder zweiten Bundesliga ist als so genannter weicher Standortfaktor enorm wichtig für die Attraktivität der Städte und auch für den Zusammenhalt in der Bevölkerung. Denn es gibt kaum eine Freizeitbeschäftigung, welche der Student, Bauarbeiter, Manager, Arbeitslose usw. so stark teilen, wie die Unterstützung des heimischen Fußballvereins am Wochenende in den Stadien. Der heimische Fußballverein verbindet also Menschen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen und ist zudem häufig das Gesprächsthema Nummer eins in vielen Städten – sogar noch vor dem Wetter. Fünftens haben die Vereine in der Regel noch ausstehende Schulden in zum Teil erheblicher Höhe bei den Städten, den örtlichen Sparkassen oder auch dem jeweiligen Bundesland. Bei einer Insolvenz würden alle Gläubiger einen Großteil ihres Geldes unwiderruflich verlieren.

Welche Vorraussetzungen sollten für Finanzhilfen erfüllt sein?

Aber selbst wenn diese Faktoren in hohem Maße auf den jeweiligen Einzelfall zutreffen sollten und einen großen Verlust für die Stadt erahnen lassen würden, wären finanzielle Hilfen nur unter weiteren bestimmten Vorraussetzungen sinnvoll. Es müsste zum einen gewährleistet sein, dass die Stadt im Gegenzug für finanzielle Hilfe Führungsposten im Verein umbesetzen und den Aufsichtsrat mit ihren eigenen Leuten besetzen kann. Nur so kann die Stadt eine Kontrolle über den Verein erlangen und garantieren, dass die Steuergelder sinnvoll investiert werden. Zum anderen muss sichergestellt sein, dass es sich bei dem Verein um kein „Fass ohne Boden“ handelt. Sollte nämlich die Gefahr bestehen, dass der Verein nach einem Jahr wieder um Geld bei der Stadt anfragt, wäre eine Investition hoch riskant. Die Risiken müssen also klar abwägbar sein. Nur so kann sichergestellt werden, dass das investierte Geld in Form von Krediten oder Bürgschaften nicht verloren geht und die Chance besteht, bei einer positiven Entwicklung des Vereins eventuell sogar Gewinn zu machen. Zudem muss vorher intensiv geprüft werden, ob nicht andere Investoren – vorzugsweise aus der Wirtschaft – einspringen können. Eine städtische Beteiligung kann und darf immer nur die allerletzte Notlösung sein.

In Bielefeld haben die Mitglieder des Stadtrates somit letztendlich die richtige Entscheidung getroffen, ihren Fußballverein nicht finanziell mit einem Millionenbetrag zu unterstützen. Denn erst als klar war, dass die Stadt kein Geld bzw. kaum Geld für den maroden Fußballverein Arminia Bielefeld bereitstellen würde, sah sich die regionale Wirtschaft in der Pflicht und legte die geforderte Summe von einigen Millionen Euro in wenigen Tagen auf den Tisch. Nicht ohne Grund, denn die regionalen Unternehmen hatten selbst ein großes Interesse daran, dass der Verein nicht Insolvenz anmelden musste. So hatten viele von ihnen, darunter Schüco oder Gerry Weber, den Verein bereits vor der Krise finanziell als Sponsoren unterstützt. Eine Insolvenz hätte für sie nicht nur den Verlust eines wichtigen Imageträgers, sondern auch finanzielle Einbußen, zum Beispiel durch das Ausfallen von gewährten Krediten an den Verein, bedeutet.

Wie auch immer sich der jeweilige Stadtrat bei dieser Frage entscheiden sollte, so muss doch bei all dem weiterhin berücksichtigt werden, dass der Spielraum der meisten Städte, ihrem Fußballverein finanziell unter die Arme zu greifen, ohnehin sehr begrenzt ist. Denn viele Kommunen verfügen über einen Nothaushalt und müssen unplanmäßige Ausgaben erst von der jeweiligen Bezirksregierung genehmigen lassen. Sollte sich eine Stadt mit Nothaushalt also dazu entschließen, ihren Fußballverein finanziell zu unterstützen, so kann diese Entscheidung immer noch von dem/der Regierungspräsidenten/ in der jeweiligen Bezirksregierung widerrufen werden. Manchmal ist der Fußball eben nicht nur einfach die schönste Nebensache der Welt, sondern auch die problematischste, die viele und große Probleme für eine Stadt und ihre Bürger mit sich bringen kann. Nur sehr selten haben Lokalpolitiker dabei so gewichtige und schwere Entscheidungen im Stadtrat zu treffen, wie die über die Rettung des heimischen Fußballvereins.

Jonas Brandhorst

studiert seit Oktober 2009 den Masterstudiengang Politikmanagement an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen. Zuvor studierte er den Bachelorstudiengang Social Science an der Universität Osnabrück. Praxiserfahrung sammelte er durch Praktika bei TNS Infratest, der Staatskanzlei NRW und der Europäischen Kommission.