Keine Zeit für Firlefanz

Keine Zeit für Firlefanz – Die Generation Y brodelt schon

Im Mai 2019 steht die Europawahl an. Warum vor allem die Bedürfnisse junger Menschen im Mittelpunkt stehen müssen.

Ein erleichtertes Aufatmen ging durch Europa, als Emmanuel Macron mit überwältigender Mehrheit zum französischen Präsidenten gewählt wurde. Doch seine progressiven, liberalen Unterstützer kamen vor allem aus den wohlsituierten, urbanen Teilen der Gesellschaft. Fast die Hälfte der 18 bis 24-Jährigen entschied sich dafür, die rechtspopulistische Marine Le Pen zu wählen, um ihre Interessen zu sichern. Viele links-alternativen Wähler sahen sich gar nicht repräsentiert: sie protestierten medienwirksam auf der Straße, doch blieben den Wahlurnen ganz fern – von Macron fühlten sich nur wenige vertreten.

In Ungarn ist die rechts-außen Partei Jobbik die populärste unter den Studierenden. Fast die Hälfte aller jungen Menschen wollte Jobbik oder die nationalistische Partei Fidesz wählen. Unter Victor Orbán versprechen sich viele bessere Lebensverhältnisse, oft zulasten liberaler Werte. In Polen trieb die Besorgnis um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz die gut ausgebildete junge Generation en masse auf die Straße – ein klares Aufbegehren gegen die konservativ-nationale Regierung. Wenn die Reaktionen der EU darauf nicht nachhaltig und glaubwürdig sind, wird dies den Eindruck der Union als Papiertiger verstärken.

Die Unzufriedenheit in wirtschaftlich benachteiligten Regionen Europas ist kein Geheimnis. Doch auch in den vermeintlichen Wirtschaftsmotoren sind Anzeichen der Verdrossenheit erkennbar. In Deutschland traten in den Wochen nach der Nominierung von Martin Schulz als Kanzlerkandidat mehr als 10.000 neue Mitglieder der SPD bei. Mehr als 40% davon waren junge Genossen und Genossinnen unter 35. Schulz bot eine glaubhafte Alternative zur ewig-regierenden Angela Merkel an, die für viele der jungen Deutschen die einzige Bundeskanzlerin ist, die sie aktiv miterlebt haben. In Großbritannien wird den Millenials das überraschend gute Ergebnis der Labour Partei bei den letzten Unterhauswahlen zugeschrieben. Der umstrittene Parteivorsitzende Jeremy Corbyn genießt mit seiner Außenseiterrolle große Anerkennung bei jungen Wählenden. Eine Stimme für ihn, ist eine Stimme für den Aufbruch.

Es ist das Verlangen nach Veränderung, das diese Beispiele verbindet. Überraschend ist das nicht: Die Austeritätspolitik nach der Finanzkrise hat viele Chancen und Zukunftspläne zunichte gemacht. Strenge Sparauflagen haben Unternehmen und den öffentlichen Sektor zu Einsparungen gezwungen und Arbeitsplätze vernichtet. Im Schnitt ist fast jeder sechste Europäer unter 25 arbeitslos. Griechenland, Spanien und Italien führen die Spitze an. Fast zehn Jahre nach der griechischen Schuldenkrise schließen junge Erwachsene immer noch ihre Ausbildung oder ihr Studium ab und können anschließend eine Münze werfen, ob sie damit auf dem Arbeitsmarkt fündig werden.

Schon immer waren junge Menschen an der Wahlurne unberechenbar. Sie fühlen sich weniger zur Abgabe der Stimme verpflichtet und sind im Vergleich zu den älteren Generationen weniger an Politik interessiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass 18 bis 24-Jährige in der Eurozone wählen gehen, ist 23 Prozent geringer als die von 25-50-Jährigen – Tendenz fallend.

Es scheint also logisch, dass es unattraktiv ist, Politik für junge Menschen zu machen, da sie sich weniger in Wahlstimmen umsetzen. Aber Politik-Agenden sollten nicht nur von Umfragewerten determiniert werden. PolitikerInnen sollten den Anspruch haben über Klientelpolitik hinauszugehen. Die Agenda muss wieder von realen Herausforderungen bestimmt werden – nicht nur von einer Angst vor populistischen Parteien. Bezahlbare Lebenshaltungskosten und Wohnraum, Jobaussichten, Ausbildungschancen und der Schutz der Umwelt beschäftigen junge Menschen wirklich. Danach kommt alles andere.

Wer sich in stabilen Umständen wähnt, ist glücklicher; und statistisch gesehen gibt es eine signifikante Korrelation zwischen Glücklichkeit und Vertrauen in die Europäische Union. Flüchtlingskrise, Finanzkrise, Klimawandel und jetzt auch noch Trump, Brexit, Iran und Nordkorea – die junge Generation Europas ist konstant von multiplen Krisen umgeben und mit ihnen groß geworden. Stabilität und Sicherheit ist aber auch für junge Menschen wichtig, wie Umfragen der European Broadcasting Union deutlich zeigen. Die Europawahlen bieten eine Gelegenheit jungen Menschen zu zeigen, dass sie ernst genommen werden.

Generation Y: Die Ja-Sager-Generation, die mehr Wert auf Freizeit als auf Karriere legt und sich an Politik überwiegend durch das Unterzeichnen von Online-Petitionen beteiligt.  Doch die Realität ist nuancenreicher. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Generation Y politisch durch die Zeichen der Zeit geschliffen wird und ihre Bedürfnisse weitestgehend ignoriert werden. Europas Politiker sollten sorgfältiger auf die lauter werdenden Stimmen hören, um die Relevanz der Union deutlich aufzuzeigen.

Ein Artikel von Marie Schröter

Marie SchröterMarie Schröter studiert den MA National Security an der Universität Haifa in Israel. Zuvor arbeitete sie knapp drei Jahre bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in London. Sie absolvierte einen Freiwilligendienst in Indien, bevor sie ihr Studium der Politikwissenschaft an der FU Berlin und University of Kent, UK, begann. Während des Studiums sammelte sie Arbeitserfahrung in der SPD-Fraktion des Bundestags, sowie bei einer Unternehmensberatung.