Partnerschaft am Ende?

NATO, Freihandel, G7: US-Präsident Trump stellt seit seinem Amtsantritt die Grundpfeiler der transatlantischen Beziehungen in Frage. Die langjährige Partnerschaft scheint nichts mehr wert zu sein. Warum die EU gerade jetzt für das transatlantische Bündnis einstehen sollte und mehr denn je mit einer Stimme sprechen muss.

„Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.“ Mit diesen Worten brachte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Mai 2017 das europäische Verhältnis zu den USA unter Präsident Donald Trump auf den Punkt.

Mehr als sieben Jahrzehnte lang waren die Vereinigten Staaten der wichtigste Partner der Europäischen Union. Eine Partnerschaft, die die Nachkriegszeit besonders geprägt und Europa zu Frieden, Freiheit und Wohlstand verholfen hat. Auch wenn es – wie etwa beim Irak-Krieg – mal Differenzen zwischen europäischen Ländern und den USA gab, wurde das Fundament der transatlantischen Zusammenarbeit nie grundlegend in Frage gestellt. Doch genau an diesem Fundament, scheint US-Präsident Trump gerade zu rütteln.

Die NATO hält er für obsolet, den Freihandel für unfair und das gemeinsam mit europäischen Partnern ausgehandelte Atom-Abkommen mit dem Iran hat er mal eben einseitig aufgekündigt. Zudem wiederholt er gebetsmühlenartig seine Kernforderungen an Brüssel: Militärausgaben rauf, Handelsüberschüsse runter. Lange Zeit hat Trump Europa nur gedroht, doch spätestens mit der Einführung von Strafzöllen auf Aluminium- und Stahlimporte hat seine „America First Politik“ auch die EU erreicht. Dort wurde umgehend mit Zöllen auf mehrere US-Produkte reagiert. Trump geht nun noch einen Schritt weiter und droht mit Einfuhrzöllen auf Autos, was Europa und vor allem Deutschland hart treffen würde. Die Antwort aus Brüssel dürfte vermutlich nicht lange auf sich warten lassen. Sollte sich die Spirale der Strafzölle weiterdrehen, droht ein Handelskrieg, bei dem es auf beiden Seiten des Atlantiks nur Verlierer geben kann.
Ganz von der Hand zu weisen ist Trumps Kritik nicht, wenngleich er sie sehr eindimensional darstellt. Richtig ist, dass sich Europa zu lange auf den militärischen Schutz der USA verlassen hat ohne selbst aktiv zu werden und einige Länder einen Handelsüberschuss aufgebaut haben, der auf Dauer zu Lasten der Handelspartner jenseits des Atlantiks geht. Zölle zu erheben, nationale Alleingänge zu starten und eine jahrzehntelange Partnerschaft aufs Spiel zu setzen, kann aber sicherlich nicht die Lösung für diese Probleme sein.

Noch gefährlicher als Trumps Frontalangriff auf das transatlantische Bündnis ist aber seine Unberechenbarkeit. Abgesehen von seinem „America First“ Grundsatz lässt die amerikanische Politik derzeit jegliche Konstanz und Verlässlichkeit vermissen. Absprachen scheinen nichts mehr wert zu sein. Bestes Beispiel dafür ist der G7-Gipfel, der im Juni im kanadischen La Malbaie stattfand. Nach dem Ende des Treffens der Staats- und Regierungschefs sorgte Trump für einen Eklat, indem er die bereits unterzeichnete Abschlusserklärung per Twitter widerrief – ein Novum in der über 40-jährigen Geschichte der Gipfeltreffen. Hier zeigt sich einmal mehr, dass Trump macht was er will. Diplomatische Gepflogenheiten interessieren ihn genau so wenig wie Vereinbarungen mit Partnern. Eine verlässliche Zusammenarbeit zwischen Washington und Brüssel scheint unter diesen Bedingungen schwer vorstellbar.

Wie also weitermachen mit einem US-Präsidenten, der auf eine jahrzehntelange Partnerschaft nicht viel zu geben scheint und auf Alleingänge statt auf Kooperation setzt?

Aus der derzeitigen Krise der transatlantischen Beziehungen sollte Europa vor allem zwei Lehren ziehen:

1. Die europäischen Länder müssen enger zusammenrücken und ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen.
Trump ist ein großer Anhänger von Nationalstaaten. Er glaubt nicht an supranationale Staatenverbunde wie die EU. Gerade deshalb ist die EU jetzt gefragt, zu beweisen, dass sie geeint und handlungsfähig ist. Nur wenn Brüssel mit einer Stimme spricht und sich die 28 Mitgliedstaaten geschlossen gegen Trump positionieren, kann die EU mit den USA auf Augenhöhe verhandeln. Zudem hat der US-Präsident durch sein Verhalten seit seinem Amtsantritt mehrfach bewiesen, dass die Zeiten der bedingungslosen Unterstützung Europas vorbei sind. Die EU muss ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und selber zum Garant für die eigene Sicherheit werden. Auch das kann nur durch ein gemeinsames Vorgehen der europäischen Partner gelingen. Die vertiefte Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik ist hierbei ein erster wichtiger Schritt.

2. Gerade jetzt muss sich die EU aktiv für den Erhalt der transatlantischen Partnerschaft einsetzten.
Während Trump die transatlantische Beziehung vernachlässigt, sollte sich die EU jetzt besonders für ihren Erhalt einsetzen. Wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier es treffend zusammenfasste, ist „der Westen“ mehr als nur eine Himmelsrichtung. Er steht für gemeinsame Werte wie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Werte, die Europa und die USA nach wie vor miteinander verbinden. Dieses Band darf die EU nicht leichtfertig aufgeben, sondern muss es umso stärker hochhalten, je mehr Trump es unter Beschuss nimmt. Allein schon, weil spätestens in sechseinhalb Jahren ein neuer Präsident ins Oval Office einzieht. Die Botschaft aus Brüssel muss daher lauten: jetzt erst recht!

Klar ist: die Präsidentschaft von Donald Trump stellt eine gewaltige Bewährungsprobe für das transatlantische Verhältnis und für Europa dar. Sie bietet der Europäischen Union aber auch die Chance, wieder enger zusammenzufinden und lauter denn je für das transatlantische Bündnis und die gemeinsamen Werte einzustehen.

Ein Essay von Jonas Sterzenbach.

Jonas Sterzenbach Jonas Sterzenbach studierte Politik- und Wirtschaftswissenschaften in Erfurt und Vilnius und ist seit 2017 Masterstudent an der NRW School of Governance. Praktische Erfahrungen sammelte er unter anderem bei Praktika im Deutschen Bundestag und einer Politikberatung sowie bei seiner Werkstudententätigkeit für einen Wirtschaftsverband.