politik und medien – eine zwangsehe mit folgen…

Die täglichen Medienberichte über Politik zeichnen ein oft einseitig geprägtes Bild von Selbstdarstellung, Populismus und Machtgerangel. Um nicht die ohnehin typisch deutsche Verdrossenheit gegen „die da oben“ zu stärken, muss seriöse Politikvermittlung zu einem Wert werden. Dies kann jedoch nur geschehen, wenn sich Politiker und Medienvertreter zusammenraufen und erkennen, dass weniger Schein und mehr Sein den Mehrwert für beide Seiten erhöhen kann.

 

Dreckverschmiertes Gesicht, visionärer Blick in die Ferne, den Vorschlaghammer über die Schulter geschwungen und im Hintergrund glüht die Kohle im Schmiedeofen – ein Parteichef in ungewohnter Pose. Wer in der Politik einen gewissen Schwellenwert an Prominenz erreicht hat, kommt schnell in die Versuchung sich in heroischer Art und Weise für die Bild am Sonntag ablichten zu lassen. Eine Steilvorlage für jeden Kabarettisten. Auch und besonders in Polit-Talkshows offenbart sich das professionalisierte Kommunikationsmanagement der Spitzenpolitiker. Der tiefgründig-dunkle Nadelstreifenanzug, die taktisch klug ausgewählte Krawattenfarbe oder die Tiefe des Dekolletés scheinen wichtiger zu sein als gesellschaftliche Problemlagen. „Show“ wird ganz groß geschrieben, „Talk“ verkümmert zu erschreckend inhaltsarmen Wortgefechten und Politik scheint drastisch reduziert auf die einseitige Dimension des Konflikts um Macht. Neben den Maischbergers, Wills und Plasbergs tritt nun auch der beliebteste TV-Kopf Deutschlands in die Riege der sonntagabendlichen Dampfplauderrunden. Günther Jauch eröffnete mit seiner gleichnamigen Show eine weitere Plattform, die vor allem eins bietet: eine bis zur nkenntlichkeit verzerrte Wirklichkeit der Politik.

Mehr als ein Imageproblem

Klar, Politik ist auch stets inszenierte Politik. Aber nur erträglich, solange die Selbstinszenierung nicht derart aufgeblasen wird, dass sie gesellschaftlich relevante Inhalte überschattet. Aber nicht nur Politiker sind schuld, vor allem die Medien mischen da kräftig mit. Die massenmediale Berichterstattung mit ihrer sensationalistischen und negativistischen Präsentationsweise konstruiert politische Wirklichkeit vor den Augen des Publikums neu. Ein Umdenken ist nicht in Sicht – The Show must go on! Die Berichterstattung über Politik tendiert dazu, bereits bestehende Bilder in den Köpfen der Menschen immer wieder zu bestätigen. Das Motiv des machtgeilen Politikers, der entweder an seinem Stuhl klebt oder auf Stühle anderer scharf ist, wird gefestigt. Politik hat dadurch mehr als nur ein Imageproblem. Die schwach interessierte Mehrheit der Bürger wird in die Irre geführt. Die Voraussetzungen einer gut informierten, mündigen Bürgerschaft werden zunehmend untergraben. Schlimmer noch: Medien regen damit nicht gerade zu demokratischer Partizipation an, sondern entziehen der Demokratie notwendiges Vertrauen. Die Folge: Politikverdrossenheit wird gestärkt. Diese Problematik ist nicht neu. Gerade deshalb ist es verwunderlich, dass seriöse Politikvermittlung sowohl für Politiker als auch Medienvertreter noch immer keinen Eigenwert darstellt.

Bürde der Mediendemokratie

All dies wäre nicht so schlimm, wenn es nicht um eine Grundlage des bestehenden politischen Systems ginge. Moderne Demokratien sind Mediendemokratien. Massenmedien sind heutzutage die einzige Brücke von der Politik zu der sie tragenden Gesellschaft. Die Teilhabe an politischen Entscheidungen, die Kontrolle von Macht und der Wettbewerb unterschiedlicher Ideen sind ohne eine leistungsfähige Infrastruktur der öffentlichen Massenkommunikation undenkbar. Die Crux bei der Sache ist, dass die Macht der Medien soweit in den politischen Prozess hineinreicht, dass sie demokratisch legitimierte Entscheidungen entkräften, durch Wahl legitimierte Amtsträger stürzen und somit das Vertrauen in das demokratische System in Frage stellen kann. Trotz dieser bedenklichen Wirkungen instrumentalisieren sich Politik und Medien gegenseitig munter und gedankenlos weiter. Das Verhältnis zwischen beiden Sphären wird in der Politikwissenschaft als Interdependenzbeziehung beschrieben. Gleichzeitig bleiben Politik und Medien ganz ihrer eigenen Logik verhaftet. Politiker nutzen die Ressource der medialen Aufmerksamkeit, um im Machtwettbewerb um potentielle Wähler bestehen zu können. Medien suchen die große Geschichte, um damit hohe Auflagen oder Einschaltquoten zu erzielen. Angesichts dieser von Egoismus geprägten Beziehung stellt sich die Frage: Ist seriöse Politikvermittlung auf Basis eines gemeinsamen Wertefundaments überhaupt noch möglich?

„Politikvermittlungsgesetz“?

Freiheit in Demokratien bedeutet idealerweise immer auch Medienfreiheit. Zeitungen und Fernsehsendern mit Gesetzen aufzutragen wohl endlich seriöse Politikvermittlung zu betreiben, wäre in Deutschland völlig absurd. Neben einem allgemeinen Aufschrei über nordkoreanische Methoden würden sich unzählige Köpfe den selbigen darüber zerbrechen, wie „seriöse Politikvermittlung“ überhaupt auszusehen habe. Medien dürfen nicht in politische Zügel genommen werden, weil dadurch ihre Funktion als vertrauenswürdige Grundlage zur öffentlichen Meinungsbildung entzogen sein würde. Es wird schnell klar, dass institutionalisierte Lösungsansätze an der Komplexität ihrer Folgen scheitern würden.

Mehr Bewusstsein und Mut zur Wahrhaftigkeit

Ein Perspektivwechsel zu einer grundlegenderen Betrachtungsweise mit einer gemeinsamen moralischen Komponente muss her – je früher desto besser. Fakt ist, dass Politik und Medien voneinander abhängig sind und nicht eigenständig ohne den anderen existieren können. Beide Seiten müssen sich stets bewusst machen, dass ein gemeinsames fundamentales Bestandsinteresse jenseits von Machtinteressen und wirtschaftlichen Motiven existiert. Deshalb müssen sie gemeinsam darauf achten, dass das, was bei Zuschauern, Hörern oder Lesern tatsächlich ankommt, keine destruktiven Wirkungen auf das bestehende freiheitliche System bestärkt. Ein wenig mehr Mut zur Wahrhaftigkeit könnte das von Vorurteilen durchtränkte Bild der Politik entzerren.
Menschen besitzen in der Regel einen untrüglichen Sinn für Authentizität, was Politiker gerne unterschätzen. Die Politik muss sich von der Illusion lösen, dass die Bevölkerung einen stromlinienförmigen Politiker wünscht. Das Volk sehnt sich nach Führungspersönlichkeiten, die echt sind, die ihre Eigenarten haben, die Fehler machen, aber auch dafür ohne zu zögern gerade stehen. Vor dem Hintergrund komplexer werdender Probleme, wie die der weltweiten Finanzkrise, sind Inhalte relevant wie nie zuvor. Lösungsansätze müssen mehrheitsfähig gemacht werden mit Gesichtern, denen man vertrauen kann und nicht mit Masken die Wirklichkeit vorgaukeln. Ein Mehr an Echtheit wäre deshalb ein Gewinn für die mediale Politikvermittlung und damit ein Gewinn für die moderne Demokratie.