privatheit und öffentlichkeit von politikern

Stellt ein Politiker sein Privatleben in den Medien dar, sorgt das stets für Aufruhr beim Publikum, im Politikbetrieb und auch in den Redaktionen. In der Kritik schwingt die Annahme mit, dass das Privatleben von Politikern immer häufiger und tabuloser in den Medien präsent ist. Momentaufnahme oder anhaltender Trend?

Welche Bedeutung hat das Private eines Politikers? Diese Frage ist nicht neu, allerdings in der Wissenschaft nicht eindeutig geklärt. Inszenierungstendenzen hat es in der Gesellschaft schon immer gegeben. In der modernen Kommunikationsgesellschaft mit ihren zahlreichen Kanälen ergeben sich jedoch neue Fragen. Damit allerdings auch erhebliche Risiken für den Politiker, wenn er das Private unverhältnismäßig nach außen trägt. Das Private hat selten etwas mit dem eigentlichen Inhalt der Politik zu tun. Dennoch wimmelt es bei Facebook von Politikern, die ihr Privatleben mit anderen Nutzern teilen. Die Gefahr steht im Raume, dass Inhalte zu Gunsten schneller PR in den Hintergrund rücken. Der politische Anspruch sollte aber sein, Inhalte – und nicht sein Privatleben – zu erklären.

Ist die Trennung von „Privat“ und „Öffentlich“ möglich?

Lange Zeit wurden die beiden Begriffe „Privat“ und „Öffentlich“ in der Politik getrennt. Politische Inhalte waren für die öffentliche Sphäre bestimmt, das Private blieb zumeist im Verborgenen. Allerdings haben private Verstrickungen Politiker schon immer zu Fall gebracht. Die Trennlinie zwischen privat und öffentlich scheint demnach nicht in ihrer ursprünglichen Form gegeben zu sein. Die Politik wird begleitet von einer großen Öffentlichkeit, deren Akteure die Politiker sind. Politik wird von Menschen gemacht, die damit das mediale Interesse auf sich ziehen und dies auch wollen. Wer den politischen Betrieb kennt, weiß wie schnell sich ein Politiker vor eine Kamera schiebt, wenn die Chance auf ein Stück Publicity besteht. Dies scheint die ganz normale Medienlogik zu sein, die Inhalte nicht ausschließt, aber eine private Zuordnung für öffentliche Themen benötigt, um über gesellschaftliche Themen berichten zu können. Ohne Personalisierung geht nichts mehr, Inhalte alleine sind nicht von Interesse. Politiker werden auf diese Weise menschlicher. Der reine Inhalt scheint zu abstrakt und für den Konsumenten schwer zu fassen. Was ist aber, wenn das rein Private Inhalt in der Öffentlichkeit wird? Privates wird auf diese Weise politisch, da der Politiker trotz privater Inhalte von den Interessierten als politischer Akteur wahrgenommen wird. Die Vermischung von „Privat“ und „Öffentlich“ von Politikern ist in Deutschland in der öffentlichen Diskussion eher ein Tabuthema. In den USA ist der allgemeine Tenor eher der, dass das Privatleben eines Politikers Aufschluss über seine Befähigung für ein Amt gibt. So ist die Privatsphäre amerikanischer Präsidentschaftskandidaten ein gängiges Mittel der Wahlkampfführung, ebenso wie persönliche Angriffe, die sich am Privatleben und nicht an konkreten politischen In halten orientieren. Unterstellt man der Politik nun ein Handeln nach ethischen Maßstäben, dann gerät beispielsweise die Wahlkampfführung in den USA in ein Zwielicht. Ethik bezieht sich auf das sittlich Gute. Zuerst ist die Moral da, dann das Nachdenken über sie, also Ethik. Denkende Menschen versichern sich also der Gründe für ihr Handeln, gerade auch in der Politik. Dabei geht es nicht um eine politisierte Ethik, eine der Politik dienstbare Ethik, sondern um die Frage, ob und wie sich in der Politik ethische Prinzipien, Normen sowie Tugenden begründen lassen. Wenn aber persönliche Angriffe im Wahlkampf gefahren werden, ist dies ethisch fraglich. Aber: In der heutigen Zeit sind private Schritte immer auch ein Stück weit mit Implikationen im Politischen verbunden. Der Grund ist simpel: Der Spitzenpolitiker ist immer auch eine Person des öffentlichen Lebens, trägt somit auch eine Verantwortung, was die Darstellung seiner privaten Aktivitäten angeht.

Ein mephistophelischer Pakt – die Instrumentalisierung des Privaten

In Deutschland ist das Phänomen der Instrumentalisierung des Privaten nicht neu. Man denke an den legendären Big-Brother Auftritt von Guido Westerwelle. Ebenso ist ein Trend zu erkennen, dass Politiker die Öffentlichkeit über Soziale Medien wie Twitter und Facebook suchen. Das über all diese Formate nicht die Inhalte im Vordergrund stehen, ist bekannt. Was haben Politiker also davon, ihr Privatleben nach außen zu kehren, obwohl dieses Vorgehen enorme Risiken mit sich bringt. Ein falscher Tweet, ein peinliches Facebook-Foto, und die politische Karriere kann zu Ende sein. Der Sinn ist ein Stück Bekanntheit, gerade in Zeiten, in denen der Wahlkampf ein permanentes Gesicht bekommen hat. Dazu muss der Politiker nicht nur mit den Medien erfolgreich zusammenarbeiten, sondern auch eine mediale Ausstrahlung besitzen und sie entsprechend nutzen. Das aber zwingt ihn zu einer permanenten Anspannung, um keine Fehler zu begehen. Eine zu weit gehende Privatisierung birgt immer die Gefahr, dass ungewollt Privates, Persönliches und gar Intimes über das jeweilige Medienformat ans Tageslicht kommt, sodass diese Aspekte mit den Rollenanforderungen für Ämter kollidieren. Aber: Ist das Geltungsbewusstsein nicht auch ein Stück weit der Versuch die Nähe zum Volk zu suchen? Was bleibt Politikern, um dem zunehmenden Vertrauensverlust wie auch dem Desinteresse zu begegnen?

Seit Jahrzenten reagiert die Politik darauf mit einer Amerikanisierung, speziell der Wahlkämpfe. In den Vordergrund des politischen Geschehens rücken dann die Personen, während die Inhalte, die Parteiprogramme an Bedeutung einbüßen. Während Parteien häufig eher negativ beurteilt werden, sollen einzelne politische Führungspersönlichkeiten mit einer gewissen Ausstrahlungs- und Faszinationskraft die Wähler anziehen und an die Partei binden. Ist der jeweilige Akteur dabei nett, sympathisch und wirkt kompetent, dann sind alle Zutaten im Topf, um erfolgreich auf Wählerjagd zu gehen und die eigene Geltungssucht zu befriedigen. Dass die Sphäre von „Privat“ und „Öffentlich“ dabei in seltsamer Weise vermischt wird, mag dabei komisch anmuten, ist jedoch Realität. Das Öffentlichmachen des Privaten ist eine individuelle Entscheidung. Im Sinne des Entscheidungsmanagement stellt sich die Frage, ob der politische Akteur den richtigen Instinkt für das angemessene Maß an Privatisierung findet. Der Politiker aber, der sich zu sehr auf seine mediale Wirkung konzentriert, geht einen mephistophelischen Pakt ein: „Für einen Kammerdiener gibt es keinen Helden“, zitiert Hegel ein bekanntes Sprichwort und fügt hinzu: „nicht aber darum, weil dieser kein Held, sondern weil jener der Kammerdiener ist.“ In früheren Jahrhunderten feierten Epos wie bildende Künste den Helden, heute betreiben die Medien dieses Geschäft. Nicht dass die modernen Medien ungern Helden küren würden, solange sich das Publikum davon beeindrucken und sich damit die Auflage oder Einschaltquote steigern lässt. Folge der Privatisierungstendenzen ist es aber eben auch, dass das Publikum es schätzt, wenn die Medien Helden demontieren, wenn sie aus der Perspektive des „Kammerdieners“ deren banale Menschlichkeit entlarven: Skandale steigern eben die Auflage noch mehr.