Spot aus – die Medienpolitik und ihr Schattendasein

DLM, MPK, KEF und TKLM – wer sich mit Medienpolitik in Deutschland befasst, stößt schnell auf ein schwer durchschaubares Wirrwarr von Anstalten, Räten und Kommissionen. Medienpolitik ist bestenfalls eine Nische für Fachleute. In der öffentlichen Debatte findet sie nicht statt. Dabei wäre eine breite medienpolitische Diskussion dringend nötig. Woran mangelt es also?

Eigentlich ist Wochenende, aber als Pressesprecher ist man immer im Dienst. Zumal in der Politik. Nachrichten im Radio, Online-Schlagzeilen und ein Blick in die Wochenendausgaben der Zeitungen: Hans Michael Strepp schwant etwas. Also schnell ein Anruf, der Griff zum Mobiltelefon. Der Journalist in der „heute“-Redaktion am anderen Ende der Leitung zeigt sich verwundert. Verwundert, weil der Anrufer doch tatsächlich damit droht, ein Bericht über den Landesparteitag der bayerischen SPD in der „heute“-Ausgabe um 19.00 Uhr könne „Diskussionen nach sich ziehen“. So will es die „Süddeutsche Zeitung“ später erfahren haben. Die Drohung von Hans Michael Strepp, damals Pressesprecher der CSU, ist der Sündenfall. Ein Tipp aus der Redaktion, so steht es zu vermuten, macht das öffentlich. Der Skandal ist perfekt.
Strepp, promovierter Jurist, muss deshalb im Oktober 2012 zurücktreten. Und der Drohanruf beim ZDF war vermutlich kein Einzelfall. Der Anruf bei „heute“, hier eine SMS, dort ein Gespräch – Strepp scheint häufiger Kontakt zu den Redaktionen gesucht zu haben, glaubt man der Berichterstattung. Allerdings: Er habe das nie auf Anweisung getan, betont CSU-Chef Horst Seehofer. Ihm ist das wichtig, auch noch nach dem Rücktritt seines Sprechers.
Es sind Fälle wie die von Hans Michael Strepp, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die politische Steuerung des bundesdeutschen Mediensystems lenken. Ob Strepp, die Demontage von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, die Rundfunkgebühr oder der mögliche Verkauf von „SZ“-Anteilen an Goldman Sachs: Es folgen erregte Beiträge in Blogs, Politmagazinen und den großen Tageszeitungen. Danach aber ebbt das Interesse ab. Medienpolitik findet dann wieder im Normalzustand statt: abseits der Öffentlichkeit.

Die Tagesschau: Läuft und läuft und läuft und…
Politik setzt den Rahmen für gesellschaftliches Miteinander. In der Medienpolitik geschieht das für genau jene Organisationen, die anschließend über ebendiese Politik berichten: Medienpolitik ist ein Politikfeld mit besonderer Bedeutung für die Demokratie. Sie ist eine Art Demokratiepolitik. Doch die medienpolitische Berichterstattung hat hierzulande einen kurzen Atem. Warum ist das so? Wieso herrscht abseits temporärer Aufmerksamkeitsschübe weitgehend Ruhe? Zwei eklatante Schwächen potenzieren sich in diesem Politikbereich gegenseitig: Einerseits werden qualitative Verschlechterungen für den Konsumenten kaum sichtbar. Andererseits paaren sich undurchsichtige Strukturen mit mangelnder Bereitschaft, durch mehr Transparenz einen (zumindest gefühlten) Machtverlust zu akzeptieren.
Medien liefern – und zwar immer: Die Tagesschau flimmert Punkt acht über den Bildschirm, „Spiegel Online“ bietet alle zwanzig Minuten eine neue Headline und auch Facebook ist ständig verfügbar. Der Bildschirm bleibt nicht schwarz – niemals. Und wenn die „Süddeutsche“ morgen einem zweifelhaften Finanzinvestor gehört, liegt sie erstmal trotzdem am Kiosk. Alles wie immer, könnte man meinen. Anders ist das, wenn Rheinbrücken gesperrt werden, Steuern steigen oder Studiengebühren drohen: Da ist man nicht nur ganz direkt betroffen, da merkt man sogar was. Schon die massenmediale Logik verhindert also breite Teilhabe an medienpolitischen Debatten, weil deren Relevanz nicht deutlich wird – ein echtes Paradoxon.

„Ländersache“ Medien: Viele Zuständigkeiten, wenig Transparenz
Bedeutender ist aber das schwer durchschaubare Zuständigkeitsdickicht. Eigentlich ist die deutsche Medienpolitik Ländersache. Trotzdem gibt es auf fast jeder politischen Ebene Akteure, die irgendwie wichtig sind. In Europa wollen Kommission und Parlament mitreden, ergänzt durch den ohnehin tätigen Europarat. Im Bund sitzt Bernd Neumann als Staatsminister im Kanzleramt und ist zuständig für „Kultur und Medien“. Diverse Gerichte sind ebenso mit von der Partie. Genauso wie das Bundeskartellamt, das gerade im Bereich privater Medien – ob Print oder Rundfunk – mitmischt. Sie alle haben etwas zu sagen bei der „Ländersache“ Medien.
In den Bundesländern ist die Medienzuständigkeit meist in der Staatskanzlei angesiedelt, Hinweis auf die enge politische Führung der Länderaktivitäten. Hinzu kommen die Landesmedienanstalten, die vor allem für die Aufsicht privater TV- und Radioprogramme zuständig sind. Viele Anstalten sind auch bemüht, mit pädagogischen Angeboten Medienkompetenz zu vermitteln. Zudem arbeiten sie auch über Ländergrenzen zusammen – in einer Vielzahl von Kommissionen und Konferenzen, deren Aufzählung den Rahmen dieser HAMMELSPRUNG-Ausgabe leicht sprengen würde.
In erster Linie sind die Medienanstalten aber Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden, die nicht durch staatliche Einrichtungen gesteuert werden sollen. Deshalb gibt es in aller Regel Kontrollgremien und -versammlungen, die sich nach festen Bestimmungen zusammensetzen. WDR, SWR und Co. werden ihrerseits nicht von den Medienanstalten kontrolliert – sie kontrollieren sich quasi selbst. Ihre Rundfunkräte werden aber ähnlich besetzt: Die Vertreter kommen aus den Landtagen, Vereinen, Kirchen oder Verbänden. Und sie operieren, ob gewollt oder nicht, in der Regel jenseits jeglicher Öffentlichkeit. Doch damit nicht genug. Der Rundfunkrat, der beim ZDF „Fernsehrat“ heißt, wählt noch ein weiteres Gremium: den Verwaltungsrat. Und ohne den geht gar nichts, denn der Verwaltungsrat überwacht den Intendanten.

Unabhängigkeit nicht dem Zufall überlassen
Das alles ist eines mit Sicherheit nicht: übersichtlich. Zudem wird immer wieder Kritik laut, die Räte seien zum parteipolitischen Instrument verkommen. Ex-ZDF-Chefredakteur Brender wirft ihnen vor, bis „hinein ins Programm zu funken“. Das Übergewicht der Politik in den Räten entsteht dabei durch eine simple Dopplung: Beim ZDF zum Beispiel haben nicht nur die Parteien als gesellschaftliche Organisationen feste Plätze im Fernsehrat. Auch Bund und Länder entsenden Vertreter – in der Regel Minister oder Staatssekretäre mit Parteibuch. Übrigens sagt Brender im Interview mit dem Medienmagazin „ZAPP“ auch, nicht jedes Parteimitglied sei per se problematisch. „Es gibt Leute mit Parteibuch, die sehr unabhängig sind und es gibt Leute ohne Parteibuch, die sehr abhängig sind. Aber es darf nicht dem Zufall überlassen bleiben, wer unabhängig denkt und agiert und wer nicht.“
Gerade in Zeiten der Parteienverdrossenheit gehört auch zur Wahrheit, dass Parteien wichtige gesellschaftliche Organisationen sind, die natürlich ebenso wie Kirchen oder Gewerkschaften ein Recht auf die Teilhabe in solchen Gremien haben – aus gutem Grund. Der Eindruck der „Klüngelei“ hinter verschlossenen Türen aber schadet in doppelter Hinsicht: dem Ansehen der Parteien ebenso wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. So entsteht eine unheilvolle Mixtur.
Eine vitale Demokratie braucht ein funktionierendes und unabhängiges Mediensystem. Ein System, dem die Menschen vertrauen. Die Medienpolitik darf deshalb nicht dauerhaft unterhalb der medialen und politischen Wahrnehmungsschwelle stattfinden – es geht um die Funktionsfähigkeit der Demokratie! Die Medienpolitik muss raus aus der Nische. Dazu bedarf es, neben mehr Offenheit und Transparenz, vor allem selbstbewusster Medienpolitiker. Finanzierung und Eigentumsverhältnisse privater Medien gehören ebenso in den Blickpunkt. Denn eines ist klar: Redaktionelle Unabhängigkeit ist kein Selbstläufer – nirgendwo. Aber sie ist es wert, etablierte Strukturen ernsthaft zu überdenken!

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