the new game – lobbying und sport

Lobbying ist in einer pluralistischen Gesellschaft alltäglich, da es unzählige Interessengruppen gibt. Ob Dackelzüchterverein, Rüstungsindustrie oder die großen Sportligen – alle wollen ihre Interessen durchsetzen. Aber warum kann Lobbying, vor allem im Sport, überhaupt erfolgreich sein?

Deutschland folgt seit Jahrzehnten einer ganz bestimmten Tradition: Jeden Samstagnachmittagversammeln sich Millionen von Menschen vor den Fernsehgeräten und Radios, um die aktuellen Spiele der Fußball-Bundesliga zu verfolgen und mitzufiebern. Um diese Tradition zu kennen muss man nicht einmal selbst ein großer Fußballfan sein, denn es scheint sich dabei um ein allgemeingültiges Gesetz zu handeln. Eines ist dabei ganz offensichtlich: Fußball wird von vielen Menschen – vielleicht sogar zu Recht – als faszinierender, spannender und bewegender als Politik empfunden. Dabei gibt es eine viel engere Verbindung zwischen Sport und Politik, als manch einer glauben mag. Gemeint ist die versuchte Einflussnahme von Sportvereinen und –verbänden auf die Politik, auch bekannt als Lobbyismus. Genauso wie andere Verbände, versuchen auch Interessengruppen aus der Welt des Sports Einfluss auf die Politik zu nehmen, um ihre Interessen besser umsetzen zu können. Aber wie funktioniert so etwas eigentlich? Und: Stimmt das Bild vom Lobbyisten, der mit einem prall gefüllten Geldkoffer ahnungslose Politiker im Hinterzimmer für seine „Machenschaften“ gewinnen will?

Ganz so einfach ist es wie immer nicht. In Deutschland gibt es knapp 2.200 in das Lobbyregister des Deutschen Bundestages eingetragene Interessengruppen. Bei Lobbying handelt es sich in der Regel jedoch nicht um die genannte illegitime Einflussnahme in Hinterzimmern, sondern um die Vertretung von Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen. Genau genommen kommt es zwischen dem politischen Entscheidungsträger und dem Interessenvertreter zu einem rationalen Tauschgeschäft. Gegenstand eines solchen Tausches sind Informationen zu bestimmten Sachthemen einerseits und der Möglichkeit der Einflussnahme andererseits.

Tausche Sportschuhe gegen Anzug

Interessengruppen verfügen nicht nur über Informationen zu Auswirkungen politischer Maßnahmen (d.h. Expertise zu ganz bestimmten Sachthemen, die sonst nur wenigen oder niemandem zu Verfügung steht und somit knapp ist), sie sind auch in die Implementation solcher Maßnahmen eingebunden. Oft können sie die Einflüsse und Auswirkungen politischer Maßnahmen besser beurteilen, als die politischen Entscheider selbst. Wen wundert das auch? Lobbyisten sind schließlich Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet. Die politischen Entscheidungsträger wiederum sind daran interessiert, die Fachinformationen der Interessengruppen zu nutzen, um unbeabsichtigte Effekte zu vermeiden. Der Plan muss schließlich aufgehen, die getroffene politische Entscheidung soll von der Bevölkerung akzeptiert werden. Das Interesse der politischen Entscheidungsträger resultiert aus der Tatsache, dass die Komplexität bestimmter Sachverhalte oft über den Sachverstand von Verwaltungsbürokratien hinausgeht und daher Beratung sowie Formulierungshilfe von Experten aus den jeweiligen Interessengruppen vonnöten ist. Umgekehrt ist der Interessenvertreter daran interessiert, die Entscheidungsträger, also etwa die Bundesregierung, das Parlament, die Ministerialbürokratie oder die Referenten der Arbeitsgemeinschaften, in einem möglichst frühen Stadium in seinem Sinne zu beeinflussen. Beeinflussung bedeutet, dass der Lobbyist zum Beispiel einen Gesetzesentwurf verändert oder sogar einen eigenen Entwurf einreicht, der seine Interessen berücksichtigt. Der Job des Lobbyisten hat somit Ähnlichkeit mit dem eines Zauberkünstlers: Er muss seine Tricks anwenden ohne dass es jemand bemerkt, er muss am besten überall gleichzeitig sein können und über alle Handlungen der Beteiligten informiert sein. Interessenvertreter benötigen Informationen über alle Vorgänge, die im Vorfeld des politischen Entscheidungsprozesses stehen, da sie mit Hilfe dieser Informationen ihre Vorstellungen von Politikinhalten realisieren können. Sie kommen aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft – vom Tabakliebhaber über den Taubenzüchter bis hin zum Sportmanager.

Aus dem Verständnis des Lobbyisten und des Politikers ergibt sich, dass für das Zustandekommen von Tauschprozessen ein gegenseitiges Interesse an einem Austausch von Ressourcen unabdingbar ist. Müssen sich demnach ein Sportmanager für Politik und ein Politiker für Sport interessieren?

Wenn es darum geht, Lobbying im Bereich des Sports zu betreiben, ja. Im Sportausschuss des Deutschen Bundestages wird Lobbying so offen betrieben wie in keinem anderen Bereich des Parlaments. Darüber hinaus ist der Sportausschuss der einzige Ausschuss seiner Art, der stets öffentlich tagt. Immerhin: Im Gegensatz zu manch anderer Lobby lassen sich die Vorteile des Sports, wie etwa Förderung der eigenen Gesundheit, Pflege der sozialen Kontakte oder auch das Entstehen von Teamgeist, nicht von der Hand weisen. Sportlobbyisten haben so gesehen einen deutlichen Vorteil gegenüber Tabak- oder Waffenlobbyisten. Nichtsdestotrotz gibt es auch in der Welt des Sports sehr heterogene Interessen. Dabei kann es sich etwa um Interessen von Gruppen handeln, die die Ausübung ihrer Sportart sicherstellen wollen, zum Beispiel wenn Umweltbestimmungen das Ausüben von Sportarten einschränken. Dies kann etwa im Kanu- oder Rudersport der Fall sein. Ganz anders, aber ebenso realistisch, stellt sich die Lage dar, wenn nach einem Amoklauf über eine Verschärfung der Waffengesetze nachgedacht wird. Dann laufen die Schützenverbände Sturm, da sie ihre Sportart gefährdet sehen. Trotzdem geht es hierbei nicht nur um eine Sicherstellung der Ausübung einer Sportart: Da man für die Ausübung des Schießsports naturgemäß eine Waffe benötigt, haben im Falle einer geplanten Verschärfung der Waffengesetze auch die Hersteller von (Sport-) Waffen ein Interesse daran, solche Gesetzesänderungen zu verhindern, womit wir auch schon bei den kommerziellen Interessen in der Welt des Lobbyings im Sportbereich sind. Um bei Themen wie der Regulierung von Sportwetten oder dem Verbot von Alkoholwerbung im Sport Einfluss nehmen zu können, haben die vier größten deutschen Sportverbände der jeweiligen Profiligen – Deutsche Fußball Liga (DFL), Basketball Bundesliga (BBL), Deutsche Eishockey Liga (DEL), und die Handball Bundesliga (HBL) – einen eigenen Lobbyverband gegründet. Vor allem das Werbeverbot für Alkoholika würde dem Profisport eine wichtige Einnahmequelle von rund 300 Millionen Euro pro Jahr entziehen. Sport und Alkohol – auf den ersten Blick eine feindliche Verbindung, auf den zweiten Blick anscheinend eine innige Liebe, denn beim Geld scheint auch der Jugendschutz an seine Grenzen zu stoßen.

Lobbyist und Politiker – große Gefühle

Interessant am Lobbying im Bereich Sport sind vor allem das Ausmaß und die Medienwirksamkeit. Zwischen Sport und Politik besteht eine enge Verbindung, mit der die Politik meistens medienwirksam punkten kann. Besonders deutlich wird dieser Zusammenhang am Verhältnis der Kanzlerin Angela Merkel und der Fußballnationalmannschaft: Die Kanzlerin bei den Sportlern in der Umkleidekabine, die Kanzlerin händeschüttelnd mit Jogi Löw, die Kanzlerin jubelnd auf der Ehrentribüne bei Länderspielen der deutschen Elf. Dies alles sind Bilder, die wir kennen und die auf uns positiv wirken, ohne dass wir in der Regel dabei an Lobbyismus denken. Diese Bilder und noch viele weitere Beispiele zeigen jedoch, dass das gegenseitige Interesse von Sport und Politik weitreichend ist. Die öffentliche Darstellung der jubelnden Angela Merkel ist sogar auch ein Stück weit politisches Interesse und durch die Sportverbände verwirklichter Lobbyismus.

Erinnern wir uns nun an die einführende Klassifikation von Lobbyismus als rationales Tauschgeschäft, bei dem die Tauschpartner das Ziel verfolgen, ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Der Einfluss, der vom Interessenvertreter auf den Entscheidungsträger ausgeübt wird hat die Funktion, eine politische Entscheidung mitzusteuern. Im Falle des oben genannten Beispiels handelt es sich darum, die Entscheidung für ein Werbeverbot von Alkoholika zu kippen. Allerdings darf dabei nicht von einem mechanischen Bild von Lobbying ausgegangen werden. Der politische Erfolg hängt nämlich nicht nur von der Menge und der Art an Ressourcen ab, die ein Lobbyist anzubieten hat. Der Mythos des prall gefüllten Geldkoffers bleibt in diesem Falle also ein Mythos – abgesehen natürlich von Korruption und Bestechung im Sport, was jedoch ein anderes Thema wäre. Selbst mit den raffiniertesten Taktiken und Strategien in petto wird der Lobbyist immer noch kein geplantes Alkoholverbot verhindern können, da sich der politische Entscheidungsträger nicht so einfach instrumentalisieren oder manipulieren lässt. Ein Griff in die Trickkiste allein ist eben nur die halbe Miete für ein Tauschgeschäft. Ganz wesentlich für erfolgreiches Lobbying ist etwas ziemlich Banales: Die persönliche und oft über Jahre gewachsene vertrauensvolle Beziehung zwischen Lobbyist und Entscheidungsträger. Denn eines steht fest: Jegliches Signal, welches der Interessenvertreter direkt oder indirekt an seine Adressaten aussendet, würde ohne Folgen bleiben, wenn nicht auch die Bereitschaft bestünde, diese Signale zu empfangen. Daher muss in solch einem Zusammenhang immer auch von einer Interaktivität zwischen Sender und Empfänger ausgegangen werden. Für unser Beispiel bedeutet dies konkret, dass es ganz offensichtlich für den Entscheidungsträger nicht nur sehr interessante Ressourcen gegeben haben muss, die dazu geführt haben, dass ein Werbeverbot für Alkoholika nicht zustande gekommen ist. Auch muss von einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen diesem Entscheidungsträger und dem Lobbyisten ausgegangen werden, was sicher nicht nur für den Bereich des Sports gilt.

Niels Hauke

studierte an der Universität Osnabrück Social Sciences und ist seit 2009 Student des Masterstudiengangs Politikmanagement an der NRW School of Governance. Praktische Erfahrungen sammelte er bei Praktika im Deutschen Bundestag und im Wissenschaftsministerium des Landes NRW.