„es ist schwer, ein zugesprochenes image wieder abzulegen“

Jörg Kriewel, Absolvent der NRW School of Governance, im Gespräch über seine berufliche Tätigkeit nach dem Studium und die Arbeit im Forschungszentrum Jülich.

die Fragen stellte Anna von Spiczak

 

Jörg, du bist in der Unternehmenskommunikation des Forschungszentrum in Jülich tätig: Wie bist du dazu gekommen und was sind deine Aufgaben?

Nun, auch wenn es in unserer Disziplin gelegentlich als „Allheilmittel der Jobsuche“ belächelt wird – es war ein funktionierendes Netzwerk. Hierdurch wurde mir der Kontakt ermöglicht und ich bekam die Chance, mich hier vorzustellen. Was man in der Folge daraus macht, liegt natürlich an einem selbst, aber in meinem Fall „passte“ es einfach. Der Forschungsstandort Jülich existiert nun seit 55 Jahren. In den ersten Jahrzehnten lag der Forschungsschwerpunkt in der Erprobung und Entwicklung kernphysikalischer Abläufe. Aus dieser Arbeit resultierten aber auch nukleare Altlasten und somit hat das Forschungszentrum eine nukleare Historie. Meine Aufgaben umfassen kommunikationsspezifische Themen, die sich mit dieser Historie und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart auseinandersetzen. Vereinfacht: Alles was mit nuklearen Aspekten zu tun hat und kommunikationsspezifisch behandelt werden muss, landet auf meinem Schreibtisch und dem meiner Kollegen.

Inwieweit kannst du bei deiner Arbeit von deinem Studium profitieren?

Auch wenn ich erst seit kurzem hier arbeite, so merke ich, wie wichtig es ist, mit verschiedenen Charakteren aus ganz unterschiedlichen Disziplinen eine Kommunikationsbasis zu finden. Die Studienschwerpunkte „Strategische Kommunikation“ und „Verhandeln, vermitteln und kommunizieren“ waren diesbezüglich sehr hilfreich. Profitiert habe ich auch von den Gesprächen mit den vielen externen Gästen, denn durch solche Unterredungen gehen Berührungsängste verloren und man bekommt ein Gespür für die Atmosphäre eines Gesprächs. Das hilft auch bei Bewerbungsgesprächen ungemein. Weniger Anknüpfungspunkte lassen sich hingegen zu den wissenschaftlichen Schwerpunkten des Studiums herstellen, aber das stört mich nicht.

„Politik und Ethik“ – das ist das Thema der aktuellen HAMMELSPRUNGAusgabe. Sind diese beiden Aspekte miteinander vereinbar?

Ich denke das sind sie, und das müssen sie auch sein. Ethik impliziert eine sittliche Wertigkeit. Politik muss, um den ihr zugrunde liegenden Charakter ausfüllen zu können, wertebasiert agieren. Ich sehe also in der Kombination beider Aspekte keine Diskrepanz, sondern eine – in der heutigen krisenbehafteten Zeit – viel zu kurz kommende Verschmelzung eines moralisch gewünschtem „Sein-Zustands“ mit einem gesellschaftlich kritisiertem „Ist-Zustand“.

Wie hat der Beschluss des Atomausstiegs die Arbeit des Forschungszentrums verändert?

Die Frage bringt mich zum schmunzeln. Als ich mich hier in der Umgebung begann einzuleben und ich erzählte wo ich arbeite, hieß es immer nur: „Ach in der KFA!“ Das Forschungszentrum Jülich ist in der Region noch immer als „Kernforschungsanlage“ bekannt – ein Paradebeispiel wie schwer es ist, ein zugesprochenes Image wieder abzulegen. Dabei ist das Forschungszentrum Jülich ausgesprochen „grün“. Wir investieren rund 5 Prozent unseres Budgets in das Themenfeld der „Nukleartechnik“ – und dabei geht es ausschließlich um die Bereiche Entsorgung und Sicherheit. Die Entscheidung über den Atomausstieg hatte also keine direkten Auswirkungen auf unsere Arbeit. Wir sehen darin vielmehr die Chance, unsere drei Forschungsschwerpunkte Gesundheit, Informationstechnologie und insbesondere Energie und Umwelt zu forcieren. So forschen momentan bereits mehr als 800 Mitarbeiter des Forschungszentrums zu Energiethemen im Rahmen der Energiewende.

Welche Schwierigkeiten bereitet die aktuelle Anti-Atom-Haltung der Bevölkerung der Öffentlichkeitsarbeit des Forschungszentrums?

Das wird sich in den kommenden Monaten noch zeigen. Es ist richtig, dass der gesellschaftliche Diskurs entschieden ist und ich halte die Entscheidung für richtig und gut. Was ich persönlich allerdings kritisiere, ist die damit einhergehende generelle Verurteilung und zunehmende Verteufelung von allem, in dem das Wort „nuklear“ vorkommt. Fakt ist, dass sich Deutschland von der atomaren Stromerzeugung verabschiedet hat. In den Bereichen der Nuklearmedizin und der kommerziellen Nutzung setzen wir auch weiterhin auf Nukleartechnologien – zu Recht. Und das Wichtigste, der Ausstieg erlöst uns nicht von dem verantwortungsvollen Umgang mit atomaren Altlasten. Das beinhaltet auch, dass radioaktive Abfälle fachgerecht und gesetzeskonform gelagert und entsorgt werden müssen. In einigen Fällen ist es daher sinnvoll, auch eine Zentralisierung – und somit einen Transport – ins Auge zu fassen. Auch die Öffentlichkeitsarbeit des Forschungszentrums muss sich auf solche
„Transportkritik“ vorbereiten. Entscheidend wird es daher sein, die Plausibilität und Rationalität solcher Transporte zu kommunizieren.

Welche Rolle spielen ethische Handlungsrichtlinien bei dir in der Unternehmenskommunikation?

Meine Arbeit und mein Handeln beinhalteten durchaus ethische Aspekte – auch wenn ich sie bisher nie als solche bezeichnet habe. Ich denke jeder „füllt“ – wenn auch unbewusst – den Begriff der Ethik mit für ihn entscheidenden Inhalten. In meinem Fall wären es Dinge wie Transparenz, Wahrheit und Überzeugung der Richtigkeit der Sache. Insbesondere der letzte Aspekt ist für mich entscheidend. Ich kann nur etwas vertreten, von dem ich selbst überzeugt bin, dass es das Richtige ist.

Wie groß ist die Diskrepanz zwischen politischer Überparteilichkeit und deinen aktuellen Tätigkeiten?

Die Antwort ist einfach – es gibt keine Diskrepanz. Wenn es um Nuklearthemen geht, hat jeder eine Meinung, ob nun eine politisch motivierte oder auch nur eine rein persönliche. Aber wie auch immer diese Meinung aussieht, für die Arbeit hier vor Ort ist sie tatsächlich irrelevant. Als ich hier anfing, habe ich mich lange mit Experten über die nukleare Vergangenheit und den Umgang mit dieser Technologie unterhalten können. Wir haben damit geforscht und dabei herausgefunden wozu sich Nukleartechnologien eignen und wozu nicht. Nun geht es darum, mit den Konsequenzen dieser Forschung zu leben und entsprechend zu handeln. Bei meiner Tätigkeit spielt ein Parteibuch daher keine Rolle. Es geht allein darum, Entscheidungen und Sachverhalte wahrheitsgemäß und nachvollziehbar zu kommunizieren.